Ein Knödel zu viel: Kriminalroman (German Edition)
Augen.
»Was ist?«
Mit einer letzten Kraftanstrengung stieß sie sich vom Waldboden ab und federte nach vorne. Mit einem kräftigen Stoß trieb sie ihm ihre Arme in den Oberkörper. Verblüfft taumelte Bongarts mit einer kurzen Drehung ein Stück zur Seite. Weit genug, sodass sie an ihm vorbeikam.
Sie rannte den Weg entlang Richtung Petersthal und hörte Bongarts’ Schritte und sein Keuchen hinter sich.
Schon nach wenigen Metern bekam sie Seitenstechen. Sie würde gleich stehen bleiben müssen! Doch ihre immer größer werdende Angst trieb sie an und mobilisierte ihre letzten Reserven. Ohne Blick für die Umgebung floh sie auf der Höhe des Hügels zur Abbiegung Richtung Petersthal. Bergab ging es leichter.
Sie traute sich nicht, sich umzudrehen. Immer noch hörte sie Bongarts keuchen. Auch er war nicht trainiert, im Gegensatz zu ihr deutlich übergewichtig und auch ein ganzes Stück älter.
Längst hatte sie den dunklen kühlen Wald hinter sich gelassen. Für eine Sekunde spielte sie mit dem Gedanken, zum See hinunterzulaufen, um Bongarts schwimmend zu entkommen. Aber sie wusste nicht, ob sie es bis zum Ufer gegenüber schaffen würde. Das unbekannte Wasser machte ihr nun zusätzlich Angst.
Gleichzeitig hatte sie das Gefühl, dass Bongarts den Abstand zu ihr verringert hatte. Warum kam ihr niemand entgegen? Wo war der Mann mit dem Traktor? Carina Bauer lauschte auf die Geräusche um sie herum, aber da war kein Motor!
»Du entkommst mir nicht, du Schlampe!« Bongarts schrie und keuchte gleichzeitig.
Sie spürte, wie ihre Kraft schwand.
»Bleib stehen!« Bongarts war noch näher gekommen.
Carina Bauer hatte das Gefühl, keinen Zentimeter mehr voranzukommen. Ihre Füße waren schwer wie Blei, die Lunge brannte, ihr Brustkorb fühlte sich an wie von einer Eisenklammer umschlossen und wie kurz vor dem Platzen. Ihre Ohren schmerzten.
»Hab dich gleich!«
Ihr wurde schwarz vor Augen, sie taumelte mehr, als dass sie rannte.
»Carina!«, schrie Bongarts.
Sie drehte sich im Laufen nach ihm um. Das brachte sie aus dem Tritt. Sie stolperte noch ein paar Schritte und fiel dann hin.
In nächsten Augeblick war Bongarts über ihr. Er warf sich keuchend und mit dem ganzen Gewicht seines Körpers auf sie und presste sie an den Boden. »Hab ich dir nicht gesagt, dass du mir nicht entkommen kannst!«
Carina Bauer keuchte und meinte zu ersticken. Instinktiv schloss sie die Augen. Sie wollte nichts mehr sehen und nichts mehr fühlen. Plötzlich gab der Druck auf ihren Körper ein wenig nach. Sie schaffte es, ihre Arme schützend vor ihren Kopf zu heben. Sie hörte, dass sie wimmerte.
»Vergiss das nie!« Bongarts drückte sich endgültig von ihrem Körper ab. Er spukte auf ihre Bluse. »Sieh zu, dass du die Kohle ranschaffst.« Er warf ihr einen abschätzigen Blick zu. »Den Rest hole ich mir später.« Sein Blick ließ keinen Zweifel daran, was er meinte.
»Denk daran, ich bin bei dir, wenn du unter der Dusche stehst, ich liege neben dir, wenn du schläfst, und ich bin bei dir, wenn du isst.«
Bongarts holte mit dem Fuß zu einem Tritt gegen ihren Körper aus, ließ es aber bleiben. Stattdessen zog er sein T-Shirt zurecht und stieg über den Zaun, von dem aus sich eine leere Weide den Hügel hinauf erstreckte. Mit langen Schritten lief er auf den Hügelkamm zu.
Carina Bauer drehte den Kopf zur Seite und legte ihre Wange auf den Schotter, der spitz in ihre Haut stach. Sie spürte keinen Schmerz. Ihre Augen starrten auf das Grau des Wanderwegs. Ihr Atem verließ rasselnd ihre Lungen. Ihr Mund war trocken. Als sie den Kopf leicht hob, sah sie am Wegrand einen hohen verwitterten Baumstumpf, von dem der Rest eines knorrigen Astes wie eine Nase abstand.
Sie wollte am liebsten sterben.
XXXI.
»Wer ist da?« Ecki glaubte den Namen nicht richtig verstanden zu haben.
»Ein Anwalt aus Düsseldorf. Leuchtenberg heißt er.« Der Kollege von der Leitstelle wirkte leicht genervt.
»Schick ihn rauf, Rainer.«
Kaum zwei Minuten später ging die Tür auf, und der Anwalt schob sich geschmeidig in das Büro der beiden Ermittler.
»Oh, ist Herr Borsch nicht im Haus?«
Leuchtenberg war an der Tür stehen geblieben.
»Was kann ich für Sie tun?«, überging Ecki die Frage.
»Darf ich mich setzen?« Ohne Eckis Antwort abzuwarten, zog Leuchtenberg einen Stuhl zu sich.
Ganz schön dreist, dachte Ecki.
»Schade, dass Herr Borsch nicht zugegen ist.« Der Anwalt zupfte sein Einstecktuch zurecht und zog dann seine Manschetten aus
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