Ein Knödel zu viel: Kriminalroman (German Edition)
Trümmerhaufen noch Verwertbares für Marie Schneiders enthielt. Nicht viel, wie er feststellen musste. Die verkohlten Balken ragten wie abgenagte Spareribs aus dem Schutt.
Der Kriminalhauptkommissar kletterte vorsichtig über die Holzreste. Der Himmel hatte sich noch weiter zugezogen. Gleich würde es zu regnen anfangen.
Ein Heimatmuseum. Robert Mayr konnte sich gut vorstellen, dass am Ortsrand, gleich neben dem alten Baum, ein kleiner Parkplatz angelegt worden wäre und ein geschnitztes Holzschild den Weg gewiesen hätte zum »Museum für Oberallgäuer Alltagskultur«. Aber auch exklusive Ferienwohnungen in dem alten Gemäuer hätte sich der Kemptener Ermittler vorstellen können. Mitten im Ort gelegen, auf historischem Boden sozusagen. Das hätte was gehabt. Touristen hätten sich um diese Adresse gerissen.
Robert Mayr fiel ein, dass er noch immer nicht wusste, was dieser Rettenberger mit dem Hof vorgehabt hätte. Mayr, dachte er, Mayr, du wirst alt und nachlässig. Krumthaler gehörte doch immerhin noch zum Kreis der Verdächtigen. Erst recht nach den jüngsten Ermittlungen. Wer weiß, welche Verbindungen er zu Solanin hatte?
Mayr wurde unruhig. Er war ein Ochse! Statt wie ein Urlauber müßig den Tag zu verbummeln, sollte er lieber seinen Mord aufklären! Mayr, hör auf zu träumen, Abmarsch!
Eilig kletterte er von einigen ineinander verkeilten Balken. Er hatte die Chipstüte nicht gesehen, auf der er beinahe ausgerutscht wäre. Robert Mayr konnte sich gerade noch abfangen und hing nach einem breiten Ausfallschritt zwischen Trümmerteilen fest. Er fluchte und versuchte seine Beine wieder unter Kontrolle zu bekommen. Der Schmerz in seinem Schritt ließ Böses ahnen. Mühsam zog er sein rechtes Bein zurück und wollte schon humpelnd weitergehen, als er stockte.
Die Chipstüte! Chips werden aus Kartoffeln gemacht! Wie konnte er nur so blöd sein! Das musste es sein! Mitten auf der Dorfstraße blieb er stehen und wählte selbstvergessen die Nummer von Dr. Schüssler. Hinter ihm hupte es laut. Der Schreck ließ ihn seine Zerrung vergessen und an den unbefestigten Straßenrand springen.
Wütend sah er dem Autofahrer hinterher. Er erkannte den Wagen. Das musste der alte Daimler vom Schattenmaier gewesen sein, dem Vorsitzenden des Heimatvereins.
Der Rechtsmediziner meldete sich bereits nach dem zweiten Klingelton. In kurzen Sätzen informierte Mayr ihn über seine Idee. Schüssler machte ihm Mut. Kartoffelchips würden auch die überdurchschnittliche Menge Salz in Büschgens’ Magen erklären. Der Makler hatte also nicht nur Schupfnudeln gegessen, sondern auch Kartoffelchips. Mayr war zufrieden. Der Fall nahm wieder Fahrt auf. Eilig kehrte er an den Brandort zurück und nahm die Chipstüte vorsichtig an sich. Mit spitzen Fingern öffnete er die von Nässe verklebten Ränder. In der Tüte lagen noch einige Brösel.
Mayrs Kopfschmerzen waren mit einem Mal wie weggeblasen. Bevor er den gesamten Polizeiapparat anwarf, wollte er gern noch mit Martina sprechen. Aber seine Freundin hatte ihr Handy jetzt offenbar ausgeschaltet.
Dabei hatte der Leiter der Kemptener Mordkommission in der schlaflosen Nacht einen Entschluss gefasst. Er würde Martina gleich beim nächsten Käse-Wein-Abend einen Antrag machen. Er hatte schon viel zu lange damit gewartet. Wenn der Fall aufgeklärt war, würde er das Aufgebot bestellen. Und Tatort hin oder her, heiraten würden sie in Moosbach. Und im Gasthof Zum Kreuz würden sie Schupfnudeln essen. Schließlich hatte er bei Mader einiges gutzumachen. Im Vorbeigehen betrachtete er den gelb gestrichenen Zwiebelturm von St. Johannes. Er war sich auf einmal sicher: Moosbach war ein Ort zum Leben, aber nicht zum Sterben.
XII.
»Mein Beileid.« Robert Mayr neigte leicht den Kopf, als er Marie Schneiders begrüßte. Die Düsseldorferin war genau in dem Moment auf den Parkplatz der Wirtschaft gebogen, als er sich einen Kaffee hatte bestellen wollen. »Sie sind aber früh. Setzen Sie sich doch.«
Marie Schneiders schob die Sonnenbrille ins blonde Haar und legte ihre schmale Handtasche auf den Tisch. »Aber gerne.« Geräuschvoll zog sie den Stuhl zurück und setzte sich.
Ernst Büschgens’ Freundin wirkte auf den ersten Blick kühl. Vielleicht sogar ein bisschen zu kühl, dachte Robert Mayr.
»Darf ich Ihnen auch einen Kaffee bestellen?«
»Nein danke.« Marie Schneiders sah den Kommissar aus ihren grünblauen Augen abschätzend an. »Vielleicht später.«
Robert Mayr hatte eine
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