Ein Knödel zu viel: Kriminalroman (German Edition)
phantastische Karriere ermöglicht hatte. Bis dann Leuchtenberg helfen musste.
Carina wollte auf keinen Fall die Chance auf das ganz große Geld verpassen. Die Italiener standen kurz davor, den Baukonzern zu übernehmen. Sie hatte ihnen dabei geholfen. Sie und ihre Mädchen, die sie verpflichtet hatte und die auf den Fotos neben oder auf den Vorständen eine so gute Figur abgaben – und die doch nicht existieren durften. Die nur an ganz bestimmten Tagen an ganz bestimmten Orten im Allgäu existierten. Eine ganz spezielle Wohngemeinschaft. Bei dem Gedanken musste sie lachen.
»Warum lachst du?« Leuchtenberg klang irritiert.
Erst jetzt merkte sie, dass sie noch mit Leuchtenberg telefonierte. »Nichts. Schon gut.«
»Was soll das, Carina? Spiel nicht mit dem Feuer. Du wirst dich verbrennen.«
»Drohst du mir? Ausgerechnet du?«
»Nein. Ich drohe dir nicht. Es geht hier nicht um mich, Carina. Es geht ausschließlich um dich. Ich habe dich immer beschützt. Das weißt du. Du bist weit gekommen. Du führst das Leben, das dir gefällt. Carina, ich mag dich viel zu sehr, als dass ich dich in dein Verderben rennen lassen würde.«
»Hör auf, sentimental zu sein. Du hast mir nur geholfen, weil du gespürt hast, dass ich dir einmal nützlich sein könnte.« Sie schnaubte verächtlich und trank mit großen Schlucken ihr Weinglas leer.
»Carina, ich –«
»Niemals, Leuchtenberg, niemals hast du auch nur das Geringste für mich empfunden.« Sie setzte ihr Glas mit einem Ruck auf den Glastisch.
»So etwas darfst du nicht sagen. Ich –«
»Hör auf damit.« Sie wischte sich über die Lippen. Und wischte damit auch das Bild aus ihrem Gedächtnis, auf dem Leuchtenbergs nackter, teigiger Körper rhythmisch auf einer braunhaarigen dünnen Frau hin und her rutschte. Sie hätte viel dafür gegeben, diesen Anblick damals nicht ertragen zu müssen. Er hatte ihr deutlich gemacht, wohin sie geraten war. Seither bekam sie diese Bilder nicht mehr aus dem Kopf.
»Es geht nicht immer nur darum, den anderen auszulutschen wie eine Zitrone.« Seine Stimme klang messerscharf.
»Ausgerechnet du musst mir das sagen. Ausgerechnet du. Du hast doch dein ganzes Leben lang nichts anderes getan.« Verdammt, die Flasche stand im Kühlstand. Sie erhob sich und nahm dabei das Handy nicht von ihrem Ohr.
»Du hast ja keine Ahnung.«
Da war wieder das Klavier, das Carina vorhin schon gehört hatte. »Schon gut. Was ist mit Wackerzapp?« Sie öffnete die Kühlschranktür und goss sich nach.
Die Frage brachte Leuchtenberg auf sein gewohntes Terrain zurück. »Lass das meine Sorge sein. Er wird dir nichts mehr tun.«
»Du weißt es also schon?«
»Ich weiß alles. Du hast verdammtes Glück gehabt, dass er dich nicht gepackt hat, sonst wärst du jetzt tot. Du musst einen starken Schutzengel haben. Aber denk daran, Schutzengel können nicht alles.« Der Pianist hob zu einem Schlussakkord an. »Tu deinen Job, und überlass den Rest mir. Sieh nur zu, dass auch die übrigen Bilder ihren Bestimmungsort erreichen. Die Italiener werden langsam ungeduldig. Sie stehen kurz vor dem Ziel. Und denk daran, so etwas, was die beiden kleinen Nutten versucht haben, darf nicht mehr passieren. Hörst du? Sonst kann ich nichts mehr für dich tun.«
Sie wusste, sie würde dann tot sein. Mit einem Ruck warf sie die Kühlschranktür zu. Sie trennte die Verbindung und blieb mitten in der Küche stehen. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie Angst vor Leuchtenberg.
Sie sah aus dem Fenster. Auf dem Rhein zogen Kähne dahin. Sie spürte, wie sie müde wurde. Sie wusste, das lag nicht nur am Wein. Sie stützte sich mit den Armen auf die Lehne ihres Sofas. Diese Schiffe trugen ihre Lasten so gleichmütig wie sie. Eine Erkenntnis, die ihr seltsamerweise wehtat. Sie hatte das Gefühl, das dunkle Wasser des Rheins zöge sie hinunter.
Auf nackten Füßen ging sie in ihr Büro und fuhr den Computer hoch. Es dauerte einen Augenblick, bis sie ihre Dateien öffnen konnte. Hinter jedem Namen verbargen sich Fotos, Daten und Lebensläufe. Diese besondere »Materialsammlung« war ihr größtes Kapital, die »Ernte« von zwanzig Jahren. Carina machte von den Adressenlisten mehrere Kopien. Ihr Kapital war von nun an ihre Lebensversicherung. Sie hielt inne und trank noch einen Schluck. Nachdenklich betrachtete sie den Siebdruck von Heinz Mack, den sie erst vor Kurzem über ihren PC aufgehängt hatte.
Rotation in Blau. Sie würde selbst nach Kempten fahren müssen. Die Wohnung
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