Ein König für Deutschland
federnden Schrittes hinüber an die Wand, wo das Telefon hing.
Um den Apparat zu packen und mit einem einzigen, mühelos wirkenden Ruck aus der Wand zu reißen, samt Kabel.
Im nächsten Moment war er wieder über Zantini, sah ihm aus unmittelbarer Nähe ins Gesicht. Er lächelte nicht mehr. »Wir kommen im Auftrag der Leute, denen Sie mit Ihrem lächerlichen Vorhaben in die Quere gekommen sind«, erklärte er kalt. »Es handelt sich um Leute, die so etwas nicht schätzen.«
»Jemand, der es versteht, sich so gut zu verstecken wie Sie, ist zu gefährlich«, fügte Schmitt hinzu. »Wir hätten Sie beinahe nicht gefunden, stellen Sie sich das mal vor. Und so etwas schätzen wir nicht.«
Zantini sah die beiden an und wusste auf einmal mit einer Sicherheit, die keiner Bestätigung mehr bedurfte, dass diese beiden ihm die Nazis auf den Hals geschickt hatten. Als sie ihn irgendwie doch ausfindig gemacht hatten, hatten sie erst einmal die Schlägertruppe vorgeschickt, um die Schmutzarbeit erledigen zu lassen.
Sein eigener Fehler. Was hatte er sich auch mit denen eingelassen. Dumm. Einer von den Fehlern, für die man teuer bezahlen musste.
»Sie werden mich jetzt töten, nicht wahr?«, sagte er.
Müller sah aus, als ob ihn diese Frage maßlos wundere. »Oh«, sagte er, »ich denke, das ist nicht mehr nötig.« Er sah seinen Kollegen an. »Oder?«
***
Erstaunlich viel Verkehr hier oben. Erst kam Vincent ein Lieferwagen entgegen, in dem allerhand finstere Gestalten saßen, kurz darauf ein Jeep mit derart abgetönten Scheiben, dass nicht zu erkennen war, ob überhaupt jemand darin saß.
Aber es war der richtige Weg. Das Haus lag genauso, wie Pictures es, Furry zufolge, beschrieben hatte.
Man konnte nicht bis ans Tor fahren, weil die Straße davor aufgerissen, unterspült und niemals repariert worden war. Gut, mit einem Jeep hätte man es geschafft. Aber nicht mit dem kleinen Fiat, den Vincent gemietet hatte.
Er stellte den Wagen am Straßenrand ab und stieg aus. Seine Kopfhaut kribbelte. Über ihm violettschwarze Wolken, so niedrig, als könne man nach ihnen greifen.
Vincent stieg den Rest des Weges empor, kam ins Schwitzen. Das Tor stand offen. Eine Klingel gab es nicht; hier sah alles aus, als sei seit hundert Jahren nichts mehr verändert worden.
Dumpfes Grollen weiter oben in den Bergen. Vincent folgte dem ausgetretenen Pfad durch das karge Gras. Die Haustür bestand aus soliden Bohlen; man hätte Eisenbahnschwellen daraus machen können.
»Hallo?«, rief Vincent. »Ist jemand da?«
Keine Antwort.
Er drückte gegen die Tür. Sie schwang geräuschlos auf. Dahinter war es dunkel. Und irgendetwas war zu hören, leise, eigenartige Laute …
Vincent ging hinein, aber eher, weil es zu regnen begann. Gab es hier Licht? Elektrischen Strom? Seine Hand fand einen altmodischen Drehschalter, und eine Glühbirne glomm auf.
Wieder dieses Geräusch. Jemand stöhnte.
Vincent folgte den Lauten. Als er im nächsten Raum ebenfallsLicht machte, sah er einen menschlichen Körper am Boden liegen, in zerrissener Kleidung. Dieser Körper war es, der die Geräusche von sich gab: ein röchelndes Atmen, schmerzerfülltes Stöhnen, und ein Finger einer Hand schabte schwach über den Holzboden, in einer unendlich müden, hoffnungslosen Bewegung.
Ein Blitz erhellte den Raum für einen Augenblick, und gleich darauf kam der Donnerschlag, so laut, dass die Scheiben klirrten. Das Unwetter brach los. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt, begann Regen auf das Haus zu hämmern.
Vincent beugte sich über den Liegenden, und irgendwie überraschte es ihn nicht, dass es Zantini war. Jemand hatte ihn entsetzlich zugerichtet. Er blutete aus mehreren Wunden am Kopf, und er lag in einer Flüssigkeit, die grässlich roch.
»Zantini«, sagte er. »Was hat man mit Ihnen gemacht?«
Die Augen, zugeschwollen, die Lider mehr schwarz als blau, öffneten sich mühsam. Die Augäpfel waren blutunterlaufen. »Vincent? Sind Sie das?«
Vincent holte sein Mobiltelefon aus der Tasche. »Sie brauchen einen Arzt.«
»Einen Arzt? Ich brauche keinen Arzt mehr.«
Vincent schaltete das Gerät ein. Welche Notrufnummer galt hier? Ihm fiel ein, mal gehört zu haben, dass die 112 in allen GSM-Netzen als Notruf funktionierte.
Das Antennensymbol blinkte hilflos.
»Ich habe kein Netz«, sagte Vincent.
»Es wird sowieso niemand kommen«, japste Zantini.
Vincent sah zu den Fenstern. Der Regen prasselte dagegen, als stünde das Haus unter einem Wasserfall. »Ich
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