Ein König für San Rinaldi
ihnen noch eine Chance für einen Neubeginn zu geben? Konnte sie ihm anvertrauen, wie attraktiv und begehrenswert sie ihn fand?
So oder so würden sie bald Mann und Frau sein. Hoffnung stieg in Natalia auf. Wenn sie auf ihren Stolz verzichtete und Kadir offen und ehrlich …
„Ich bin ein Mann“, erklärte er herablassend. „Es ist nun einige Wochen her, dass ich das letzte Mal mit meiner Geliebten zusammen gewesen bin.“
Er hatte eine Geliebte! Natalia fühlte sich, als hätte jemand sie in Eiswasser getaucht. Der Schmerz war kaum zu ertragen. Kadir hatte eine Geliebte. Aber natürlich, das war wohl selbstverständlich. Wieso hatte sie nicht schon früher daran gedacht? Er wollte sie als Ehefrau nicht um ihrer selbst willen. Nein, Kadir wollte sie nur besitzen – wie alles und jeden.
„Ach, tatsächlich“, erwiderte sie kühl. „Nun, bestimmt wird es sie sehr freuen zu erfahren, dass du seit der Trennung nicht unter Enthaltsamkeit gelitten hast.“
Stumm verfluchte Kadir seine Unvorsicht. Warum ließ er sich von dieser Frau so in Rage versetzen, dass er Zahra erwähnte? Die Beziehung mit ihr war außerdem bereits beendet.
Er hatte eigene moralische Grundsätze. Einer davon besagte, dass ein frisch verheirateter Mann keine Geliebte haben durfte. Ursprünglich hatte Kadir sich vorgestellt, zumindest im Schlafzimmer eine gut funktionierende Ehe zu führen. Weil er sich keinen Illusionen hingab, war er nicht davon ausgegangen, dass ihn echte tiefe Leidenschaft erwartete.
Das Schicksal hatte ihm einen üblen Streich gespielt. Bei dieser Frau konnte er nicht einfach sein Verlangen stillen. Was dagegen die feurige Leidenschaft betraf …
Nein, er empfand nichts dergleichen für sie. Vernünftig betrachtet hatte er lediglich mit ihr geschlafen, weil er schon einige Zeit auf Sex verzichtet hatte. Das war alles. An dieser Frau lag es nicht. Sie bedeutete ihm nichts. Auf keinen Fall war sein Begehren so überwältigend gewesen, dass er darüber alles andere vergessen hatte.
Der furchtbare tiefe Schmerz, den sie spürte, hatte sicher nichts mit dem Wissen zu tun, dass Kadir eine Geliebte hatte. Natalia wehrte sich mit aller Macht dagegen Eine Geliebte, na und? Das durfte nicht der Grund sein. Das war unmöglich. Erst recht nachdem sie jetzt wusste, wie er über sie dachte.
Niemals würde sie einen Mann heiraten, den sie begehrte und der sie nur verachtete. Allein die Vorstellung war Natalia unerträglich. Dieses Risiko durfte sie nicht auf sich nehmen. Darum blieb ihr nur ein Ausweg.
Mit einem einzigen und endgültigen Schlussstrich musste sie sich für immer von ihm lösen. Dann war es vorüber. Sie konnte ihr eigenes Leben führen, notfalls fern von San Rinaldi. Das würde ihr zwar noch mehr Kummer einbringen, weil sie dieses Land liebte. Daran durfte sie im Moment jedoch nicht denken. Natalia atmete tief ein.
„Sieh mal“, sagte sie energisch, „ich könnte uns aus dieser verhängnisvollen Lage befreien. Kadir, ich habe es mir anders überlegt und werde dich nicht heiraten. Gleich morgen früh sage ich der Gräfin Bescheid und bitte sie, den König zu informieren und …“
„Nein!“, widersprach er heftig und wunderte sich über seine Vehemenz. „Das wirst du nicht machen. Du wirst mich heiraten und tun, was ich dir sage.“ Natürlich wollte er das nicht, weil er sie begehrte. Nein, weil es ihm um San Rinaldi und die Zukunft dieses Landes ging, musste Natalia seine Frau werden. König Giorgio hätte andernfalls keinen Nachfolger.
„Wir sind hier in San Rinaldi und nicht in Hadiya“, entgegnete Natalia zornig. „Du bist zwar zum Kronprinzen von San Rinaldi erklärt worden, aber bei uns gibt es keine absolute Herrschaft. San Rinaldi ist eine Demokratie mit Gesetzen, die unsere Bürger und ihre Rechte schützen. Bei uns gibt es keine Zwangsehen.“
„Du wirst mich heiraten“, wiederholte er, als hätte er ihren Einwand nicht gehört. „Solltest du dich weigern, werde ich öffentlich erklären, dass ich dich wegen deines Verhaltens nicht zur Frau nehmen kann.“
Voller Bitterkeit erkannte sie, dass sie nun in einer Falle saß, aus der es keinen Ausweg gab. Natalia selbst war gleichgültig, was Kadir offiziell als Grund für die Trennung angab. Doch ihren Vater würde die Nachricht hart treffen. Es würde ihn schockieren, verletzen und vor allem öffentlich demütigen.
„Du wirst mich heiraten“, wiederholte Kadir noch einmal, „und von jetzt bis zu dem Tag, an dem du mein Kind in dir
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