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Ein koestliches Spiel

Titel: Ein koestliches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gracie
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mir.
    Thomas Gray
    Sie wechselten die Pferde in Brentford, worauf ihre Fahrt bei Weitem nicht mehr so schnell und glatt verlief, denn die Pferde waren nicht so gut aufeinander abgestimmt und besaßen keinen so ge-schmeidigen Gang wie die von Lord Carradice. Ein paar Meilen hinter der Ortschaft öffnete die Landschaft sich und erstreckte sich still im Mondschein als endlose, öde Weite in Silber und Schatten.
    „Hounslow Heath“, erklärte Lord Carradice als Antwort auf ihren festeren Griff um seinen Arm. Sie hatte festgestellt, dass es einfacher war, wenn sie sich während der Fahrt an ihm festhielt -allein der Sicherheit wegen, natürlich. Die leicht gebaute Kutsche war gut gefedert, aber sie neigte dazu, auf unebener Straße oder bei Schlaglöchern zu schwanken.
    „Die Gegend ist berüchtigt, nicht wahr?“, erkundigte sie sich.
    „Ja, für Straßenräuber, aber Sie müssen sich keine Sorgen machen, Miss Unbesonnen. Es ist eigentlich kein Problem mehr heutzutage. Seit die Bow Street eine Pferdepatrouille hat, sind viele der Übeltäter gefasst oder dazu gebracht worden, sich ihren Lebensunterhalt auf andere Weise zu verdienen. Die Herrschaft der Straßenräuber ist eine Sache der Vergangenheit. Außerdem ist die Dämmerung die gefährlichste Zeit, und wir sind viel später dran.“
    „Es ist nicht so, dass ich nie mit Straßenräubern in Kontakt gekommen wäre“, sagte sie. „In meiner Kindheit in Italien hatten wir oft damit zu tun. In manchen Teilen des Landes, wo seit Generationen Armut und Not herrschen, ist Raub eine Überlebensmöglichkeit für ganze Familien, sogar für ganze Dörfer.“
    „Wirklich?“ Er klang überrascht über ihren sachlichen Ton. „Das hört sich faszinierend an, wenn auch etwas beunruhigend. Hat es Ihnen gefallen, in Italien zu leben - natürlich von den Banditen einmal abgesehen?“
    „Oh ja. Es war wunderbar. Wir waren alle so glücklich dort.“ Sie seufzte. „Wo auch immer wir lebten, überall schien die Sonne, Blumen blühten, und es wurde gesungen. Die Menschen dort sangen die ganze Zeit. Nun, streng genommen wahrscheinlich nicht, aber es erschien mir damals so. Die Dienstboten und die Arbeiter auf den Feldern sangen oft, während sie ihr Tagwerk verrichteten. Und Mama und Papa liebten Musik, und wir Kinder haben immer Mittwochabend für sie Konzerte aufgeführt, auf Englisch und Italienisch. Wir haben eine Menge Volkslieder gelernt, und Mama sang die Kleinen jeden Abend in den Schlaf.“ Bei der Erinnerung lächelte sie wehmütig.
    „Erinnern Sie sich noch gut an diese Zeit? Sie waren ja auch noch ein Kind, als Sie dort lebten, nicht wahr?“
    „Oh ja, aber wir gingen weg, als ich elf war, und ich kann mich noch an vieles erinnern. Und natürlich habe ich meinen Schwestern immer wieder davon erzählt, damit sie es auch nicht vergessen. Es ist wirklich wichtig“, fügte sie hinzu, „sich an frohe Zeiten zu erinnern; es macht einen innerlich stärker, wenn alles ... weniger glücklich läuft. Selbstverständlich ging es uns als Kindern am besten; Italiener sind sehr nachsichtig mit Kindern. Ich nehme an, wir wurden schrecklich verwöhnt.“
    Er lachte leise. „Darauf kann ich keinen Hinweis entdecken. Und ich kann mir vorstellen, dass Sie und Ihre Schwestern einen reizenden Chor abgegeben haben. Spielen Sie auch ein Instrument?“
    Sie machte eine Pause und beobachtete, wie die schwachen Schatten der Wolken über das mondbeschienene Heideland huschten, dann antwortete sie leichthin: „Oh nein, wir sind betrüblich ungebildet in der Hinsicht. Großvater billigt Musik nicht, wissen Sie. Er hält sie für sündig, außer in der Kirche, und selbst da ...“ Sie zuckte die Achseln. „Wie wir in Italien gelebt haben unterscheidet sich stark von unserem Leben in England.“
    Sie zitterte, als sie daran denken musste, wie es gewesen war, aus der milden Wärme der Toskana ins kalte und trostlose Norfolk zu kommen. Fünf verstörte kleine Mädchen, frisch verwaist und der Gnade eines bitteren, hasserfüllten alten Mannes ausgeliefert ...
    „Kalt, Miss Prue?“ Ohne auf ihre Antwort zu warten, legte er ihr einen Arm um die Schultern und zog die Reisedecke fester um sie.
    „Nein, mir ist nicht kalt“, sagte sie, aber sie gestattete ihm, seinen Arm zu lassen, wo er war, und lehnte sich sogar ein wenig gegen ihn. Sie wusste, dass sie das besser nicht tun sollte, aber da war etwas an der Heide, dem Mondlicht und den Erinnerungen an ihre Kindheit, das sie melancholisch

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