Ein koestliches Spiel
erwiderte Prudence, von dem abrupten Themenwechsel erstaunt.
„Wo ist ihr Ehemann?“, flüsterte Großonkel Oswald.
„Ich denke, er ist letztes Jahr gestorben, weswegen sie vor ein paar Monaten nach England zurückgekehrt ist“, antwortete Prudence abgelenkt. „Großonkel Oswald, woher wusstest du von der Hochzeit? Wie hast du uns gefunden?“
„Verwitwet, was?“, murmelte Großonkel Oswald vor sich hin, dann sagte er lauter: „Nun mach schon weiter, Chuffy. Ich habe doch längst gesagt, dass ich meine wunderschöne Großnichte dem Duke zur Ehe gebe, also sieh zu, dass wir mit der Hochzeit fertig werden.“
Zu jedermanns Überraschung erwiderte der ungeheuer würdevolle Bischof nur milde: „Wenn du mit dem Schwätzen fertig bist, Ozzie, werde ich das. Ich dachte schon, du würdest gar nicht mehr herfinden. Noch nie in meinem ganzen Leben habe ich eine Versammlung so gelangweilt.“ Er zwinkerte Prudence zu, dann fuhr er mit gewohnt sonorer Stimme mit der Hochzeitszeremonie fort.
Prudence war sprachlos. Chuffy und Ozzie? Die ausholende Predigt des Bischofs war eine Hinhaltetaktik gewesen, um Zeit zu gewinnen? Er musste nach Großonkel Oswald geschickt haben. Aber woher wusste er, dass sie weggelaufen waren? Und warum nach Großonkel Oswald schicken und nicht nach Großvater? Und warum war Großonkel Oswald plötzlich mehr an Lady Augusta interessiert als an der überstürzten Heirat seiner Großnichte? Es war alles sehr verwirrend.
18. Kapitel
Nun vereint eure Hände und mit euren Händen auch eure Herzen. William Shakespeare
„Auf Wiedersehen! Auf Wiedersehen! “
Die Kutsche holperte die Straße entlang, auf dem Dach türmten sich Koffer und Reisetaschen, und der Duke und seine frischgebackene Duchess lehnten sich aus den Fenstern und winkten zum Abschied. Prudence, die Zwillinge und Grace liefen noch ein Stück neben der Kutsche her, riefen letzte Grüße und Ermahnungen, ja zu schreiben. Lady Augusta und Großonkel Oswald beobachteten den Aufbruch von den Stufen am Hauseingang aus. Lord Carradice lehnte an dem Geländer vor seinem eigenen Haus und verfolgte den Aufbruch mit einem schwachen, irgendwie merkwürdigen Lächeln auf den Lippen. Prudence fragte sich flüchtig, was seine Miene wohl bedeutete, aber die Aufregung über die Abreise ihrer Schwester verdrängte die Frage bald wieder aus ihren Gedanken.
Sie schauten ihnen nach, bis die Kutsche außer Sichtweite war. Sich mit einem Mal fast verlassen vorkommend, wandte sich Prudence unwillkürlich Gideon zu. Sie hatte auf der Hochzeit kaum ein Wort mit ihm gesprochen, und Charitys und des Dukes Entschluss, unverzüglich nach Schottland aufzubrechen, hatte ein verkürztes Hochzeitsfrühstück erforderlich gemacht, sehr zu Lady Augustas Empörung. Jetzt war die erste echte Gelegenheit, mit Lord Carradice zu reden.
Aber wie fragte man einen Mann, dessen wunderbare Geste der Hochzeit ihrer Schwester einen Hauch von Magie verliehen hatte, ob er sie als Mätresse wollte? Und wenn er das wirklich wollte, was sollte sie darauf erwidern?
Sie musste ihm die Saphire bezahlen. Hoffentlich hatte sie noch genug Geld übrig!
Ehe sie jedoch mit ihm sprechen konnte, rief Großonkel Oswald sie zu sich. „Jetzt zu dir, junges Fräulein. Ich denke, du hast ein paar Erklärungen abzugeben. Setzen wir uns doch ein wenig in den Salon, und du erklärst mir über einer beruhigenden Tasse Tee, warum, verflixt noch einmal, ihr mir nicht gesagt habt, dass ihr von Dereham Court weggelaufen seid!“
„Tee, Großonkel Oswald?“, erkundigte sich Prudence in dem Versuch, ihn abzulenken. „Ich dachte, du hältst nichts von Tee.“ „Ich habe Gussies Köchin ein Päckchen von meinem besten Kamillentee mitgebracht. Jetzt ist aber genug um den heißen Brei herumgeredet - ins Haus mit dir! “
Kleinlaut gehorchte Prudence.
„Ihr habt versucht, mich zu beschützen?“, stieß Großonkel Oswald verwundert hervor. „Ihr dachtet, ich sei von meinem Bruder finanziell abhängig?“
„Ja, bist du das denn nicht?“, fragte Prudence verwirrt. „Er hat immer geschimpft, wie viel ihn dein Unterhalt kostet.“
„Er ... was?“ Großonkel Oswalds Augenbrauen hoben sich. „Und dein extravaganter Lebensstil.“
Er schnaubte abfällig. „Nun, das glaube ich gern. Er war immer ein echter Pfennigfuchser, wenn es darum ging, Geld für die schönen Dinge im Leben auszugeben. Aber wenn es um Geschäfte ging, dann ... “
„Geschäfte?“, wiederholte Prudence. „Ich dachte,
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