Ein koestliches Spiel
Edward mit ausdrucksloser Stimme. „Ich meine, ihr Äußeres ist eher gewöhnlich. Beinahe unscheinbar.“
„Unscheinbar! Ist etwas mit deinen Augen nicht in Ordnung? Sie ist nicht im Geringsten unscheinbar! Diese Augen, das Lächeln, das Haar - von Kopf bis Fuß ist Prudence Merridew ein seltenes Juwel.“
„Ein Juwel?“ Der Duke musterte seinen Cousin nachdenklich und lächelte. „Sicher. Ich habe mich falsch ausgedrückt. Wie auch immer, sie macht mich nicht nervös.“
„Dann bist du ein umso größerer Narr.“ Gideon rieb sich seine Stirn. „Mich macht sie verdammt nervös. Man weiß nie, was sie als Nächstes vorhat.“ Bei der Erinnerung lächelte er versonnen.
Edward spreizte seine Finger und legte die Hände sorgfältig aneinander, dann sagte er: „Sie schien an Dukes interessiert. Ich sehe keinen Grund, weshalb ich ihr nicht ermöglichen sollte, dem nachzugehen.“
Gideon betrachtete ihn aus schmalen Augen. „Darauf würde ich mich an deiner Stelle nicht zu sehr verlassen. Ich wäre mir nicht sicher, ob sie meint, sie wolle einen Duke oder lieber doch keinen Duke heiraten, aber was es auch ist, du solltest sie dir gleich wieder aus dem Kopf schlagen, Edward.“
„Oh, aber wenn sie an Dukes interessiert wäre, wäre das doch ein glücklicher Zufall. Ich bin schließlich einer und nach London gekommen, um meine Bekanntschaft mit dem weiblichen Geschlecht zu vertiefen. Das war übrigens deine Idee, Gideon, wenn du dich erinnern willst.“
„Ich muss zu der Zeit vollkommen durch den Wind gewesen sein.“
„Miss Merridew ist die einzige Frau, die ich bislang in London kennengelernt habe.“
„Das werden wir bald ändern.“
„Und da sie erfrischend anders als die anderen jungen Damen ist, die ich in der Vergangenheit kennengelernt habe, denke ich, ich sollte ihr und Sir Oswald heute Nachmittag einen Besuch abstatten.“
„Das ist keine gute Idee“, erklärte Gideon mit Nachdruck. „Warum nicht?“
Gideon suchte verzweifelt nach einem annehmbaren Grund, weshalb sein sehr reicher und als Ehemann überaus begehrenswerter Cousin einer unverheirateten Dame der vornehmen Gesellschaft keinen Nachmittagsbesuch in Anwesenheit ihres Großonkels abstatten sollte.
„Ich glaube, sie ist nicht ganz richtig im Kopf“, sagte er schließlich.
Um den Mund des Dukes zuckte es, aber er antwortete ernst: „Ach. Wieso denkst du das?“
Gideon erhob sich und ging mehrmals im Raum auf und ab. „Das ist doch offensichtlich! Sie kommt her, uneingeladen und im Morgengrauen ...“
„Um halb zehn.“
„Genau! Im Morgengrauen. Behauptet, mit dir verlobt zu sein. Dann verwechselt sie mich mit dir - und dann, sobald ihr Großonkel eintrifft, beschimpft sie mich als treuloses Ungeheuer, nimmt sich meine Schneiderrechnungen, zerreißt sie vor meinen Augen und wirft sie ins Feuer. Schließlich, weil das ja noch nicht reicht, tut sie so, als fiele sie in Ohnmacht, und als ich sie davor bewahre, zu Boden zu fallen, und versuche, sie wieder zu Bewusstsein zu bringen - was macht sie? Schlägt mir mit dem scheußlichen ägyptischen Miniatursarg, der eine Tonne wiegt, auf den Kopf und verkündet, sie sei mit irgendeinem anderen verfluchten Kerl verlobt, und stürmt von dannen!“
Eine kurze Stille entstand, als beide Männer sich an die Szene erinnerten.
„Ja“, stimmte ihm der Duke ungerührt zu. „Wie ich schon sagte, erfrischend ungewöhnlich.“
Die Cousins sahen einander an, dann brachen sie gleichzeitig in Gelächter aus. Nach einer Weile läutete der Duke um Kaffee. Sie tranken schweigend, jeder in Gedanken bei den Ereignissen des Morgens. Gideon konnte nicht aufhören, an die Küsse zu denken, die er Miss Prudence Merridew gestohlen hatte. Oder besser, an seine eigene Reaktion auf sie. Ein paar Sekunden lang hatte er sich wie ein unerfahrener Junge gefühlt, jenseits von allem, was er kannte, stärker erregt durch den einfachen Kuss eines unbekannten Mädchens, als ihn je etwas anderes erregt hatte.
Es zog ihn wie ein Magnet an. Es faszinierte ihn. Und es machte ihm Angst.
„Noch eine Tasse, Gideon?“
Mit Mühe zwang Gideon seine Aufmerksamkeit in die Gegenwart. „Nein, danke.“ Er gähnte. „Ich gehe jetzt ins Bett. Sehe dich dann heute Abend. Wir gehen zu ... wohin?“ Er runzelte die Stirn und schnitt eine Grimasse. „Himmel, nein! Es ist Almack’s!“
„Nein, Almack’s ist morgen Abend“, erinnerte ihn der Duke. „Ich habe noch etwas Zeit, ehe ich meine Lenden gürte, allen Mut
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