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Ein Koffer voller Tiere

Ein Koffer voller Tiere

Titel: Ein Koffer voller Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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Gesicht hervor, biß mir in den Finger, schrie wütend und durchdringend und verschwand wieder in der Tiefe des Korbes.
    »Was um alles in der Welt war das?« fragte Jacquie. Ich lutschte an meinem Finger, fluchte gewaltig, und alle Jäger sangen im Chor »Sorry, Sah, sorry, Sah«, als ob sie für meine Dummheit verantwortlich wären.
    »Dieser verfluchte kleine Liebling ist ein Zwergmungo«, sagte ich.
    »Sie sind für ihre Größe außerordentlich hitzig. Von den kleinen Tieren schreit nur noch das Seidenäffchen so durchdringend.«
    »Wo sollen wir es einsperren?«
    »Wir werden ein paar von unseren Käfigen auspacken müssen. Bis ich den Rest aussortiert habe, lassen wir es in seinem Korb.«
    Vorsichtig band ich den Korb wieder zu.
    »Wie schön, daß wir jetzt zwei verschiedene Mungosorten haben«, sagte Jacquie.
    »Ja«, stimmte ich zu und saugte an meinem Finger, »wunderbar.«
    Die übrigen Behälter enthielten nichts von Bedeutung, lediglich drei gemeine Kröten, eine kleine grüne Blattviper und vier Webervögel. Ich konnte sie nicht gebrauchen.
    Als ich die Jäger mit den Tieren nach Hause geschickt hatte, kümmerte ich mich um die Unterbringung des Zwergmungos. Das schlimmste bei einer Tierfangexpedition ist, nicht genügend Käfige vorbereitet zu haben. Das war mir auf meiner ersten Reise so ergangen. Da hatten wir zwar alle möglichen Ausrüstungsgegenstände mitgenommen, aber keine fertigen Käfige, in der Annahme, wir würden an Ort und Stelle genügend Zeit haben, sie zu bauen. Das Resultat war, daß uns die erste Flut von Tieren unvorbereitet traf, und wir Tag und Nacht damit zu tun hatten, sie alle sachgemäß unterzubringen. Kaum waren wir damit fertig, kam die zweite Flut, Und wir mußten von vorn anfangen. Einmal band ich aus diesem Grund nicht weniger als sechs verschiedene Tiere mit Stricken an mein Feldbett. Seitdem gehe ich nie ohne eine Anzahl zusammenlegbarer Käfige auf die Reise, damit ich auf alle Fälle wenigstens die ersten vierzig Tiere unterbringen kann. Ich stellte jetzt also einen unserer Spezialkäfige auf, füllte ihn mit trockenen Bananenblättern und expedierte dann das Zwergmungoweibchen hinein, ohne mich noch einmal beißen zu lassen. Da stand es mitten im Käfig, die eine zierliche Pfote etwas gehoben, betrachtete mich mit kleinen, glänzenden Augen und stieß einen schrillen Wutschrei nach dem anderen aus, bis uns die Ohren schmerzten. Der Ton war so durchdringend und unerträglich, daß ich schließlich in meiner Verzweiflung ein großes Stück Fleisch in den Käfig warf. Die Mungodame sprang darauf zu, schüttelte es heftig, um sich zu vergewissern, ob es tot sei, trug es dann triumphierend in eine Ecke und verspeiste es. Noch immer schrie sie uns an, doch waren ihre Töne durch das Futter wohltuend gedämpft. Ich stellte den Käfig dicht neben Ticky, unser schwarzfüßiges Mungofräulein. Dann setzte ich mich hin und betrachtete die beiden.
    Ein flüchtiger Beobachter hätte nicht einmal vermutet, daß die beiden Tiere miteinander verwandt sind. Ticky war noch sehr jung, jedoch schon etwa 60 Zentimeter lang und 25 Zentimeter hoch. Sie hatte ein plumpes, hundeähnliches Gesicht mit dunklen, runden, etwas hervorstehenden Augen; Körper, Kopf und Schwanz waren von üppiger sahneweißer Farbe und die schlanken Beine tiefbraun, ja beinahe schwarz. Ticky war glatt, geschmeidig und graziös und erinnerte mich an eine hellhäutige Pariser Kokotte, die nur mit Seidenstrümpfen bekleidet ist. Der Zwergmungo hingegen sah alles andere als pariserisch aus. Mit Schwanz maß er etwa 25 Zentimeter, hatte ein scharfgeschnittenes Gesichtchen, eine kleine, runde rosa Nase und ein Paar glitzernde, kirschfarbene Augen. Das lange, dicke Fell war schokoladenbraun mit zarten, angedeuteten ingwerfarbenen Flecken. Ticky, ganz Dame, betrachtete den Neuankömmling fast entsetzt und beobachtete interessiert, wie er schreiend und nörgelnd seinen blutigen Fleischbrocken traktierte. Ticky, ein sehr leckriger und wählerischer Fresser, hätte sich nie so unmanierlich aufgeführt, sie hätte nie mit vollem Mund geschrien und sich benommen, als habe sie nie im Leben ein anständiges Stück Fleisch gesehen. Sie fixierte ihre Verwandte einen Augenblick, schniefte zornig, drehte sich ein paarmal elegant um sich selbst und legte sich dann zum Schlafen nieder. Der Zwergmungo, unbeeindruckt von diesem Urteil über sein Benehmen, fuhr auch bei den letzten blutigen Resten seiner Mahlzeit fort zu schimpfen und

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