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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Portion. Ich kratze schon das Mehl und die Graupen aus den Lagerecken. Der letzte Fleischvorrat ist dahin. Und wer hat das durchgesetzt, na? Die Tschakowskaja zusammen mit dem undurchsichtigen Morosow! Angeblich hat die Arbeitskraft nachgelassen, man schafft deswegen das Soll an der Trasse nicht. Das nun liegt Rassim schwer auf der Seele. Wer will schon an die Zentrale gemeldet werden? Kontrollen kommen dann, peinliche Untersuchungen, Kommissionen, die keine Ahnung haben. Auch Jachjajew zuckte zusammen, als Morosow damit drohte. Aber trotz meines fast leeren Lagers kommt Rassim zu mir und sagt so keck daher: ›Morgen, mein lieber Dicker, erwarte ich für die Offiziere eine dicke Basturma.‹ Weißt du, was das ist? Mariniertes Rindfleisch am Spieß. Der Schreck fuhr mir in den Darm – zwei Tage und Nächte lang saß ich auf dem Becken. So hart ist das Leben hier geworden.«
    »Ich habe ein ganzes Rinderhinterviertel zur Verfügung, Kasimir Kornejewitsch.«
    »Mein Bruder!« Gribow zog Abukow wieder an seine mächtige Brust. »Du bist der Retter der Verzweifelten.«
    Abukow dachte an die ausgehungerten Sträflinge im Lager und nickte mehrmals: »Natürlich teilen wir uns das Hinterviertel.«
    »Natürlich! Natürlich!« Gribow warf die dicken Arme in die Luft. »Und wie steht's mit den Hühnern?«
    »Für jeden zehn Stück.«
    »Das ist Musik! Und Fett?«
    »Du ein Tönnchen – ich ein Tönnchen. Eingeschmolzene Butter.«
    »Und Käse?«
    »Jeder zwei Blöcke.«
    »Der Himmel leuchtet auf! – Gibt es Sonderzuteilungen?«
    »Dreihundert Tafeln Schokolade für das Militär.«
    »Genügen da nicht zweihundert, mein lieber Abukow?«
    »So etwa habe ich auch gerechnet.«
    »Wie schön kann das Leben sein, wenn Menschen sich so gut verstehen wie wir, Victor Juwanowitsch.« Gribow hatte sogar Tränen in den Augen. »Fahr in die Magazinhalle. Dort laden wir den Kühlwagen in Zukunft immer aus.«
    So kam es, daß Abukow erst seinen Kühlwagen entleerte, den ›Schwund‹ verteilte, sich die offizielle Liste von Gribow bescheinigen ließ und zwei große Kartons zur Seite schob. Gribow musterte sie neugierig, nachdenklich und fragend.
    »Für Rassim und Jachjajew«, erklärte Abukow. »Erfüllte Wünsche.«
    Gribow fragte nicht länger und versteckte seinen Anteil in einem gekühlten Nebenraum, Abukow dagegen ließ seine Portionen im Kühlwagen liegen, verschloß die Ladeklappe und steckte den Schlüssel ein. Genau gesagt: Er hängte ihn sich an einem silbernen Kettchen um den Hals. Gribow grinste breit, faßte Abukow unter und zog ihn mit sich zu seiner Wohnung. Dort wartete schon Nina Pawlowna Leonowa, es duftete herrlich nach Kotlety Poscharskje – das sind Frikadellen aus Hühnerhackfleisch, mit brauner Butter beträufelt. Außerdem gab es eine Romowaja Baba – mit Rumsirup getränkter Kuchen, der in der Backröhre goldbraun aufging. Auf dem weiß gedeckten Tisch stand bereits eine Flasche purpurner Krimwein mit drei Gläsern.
    »Victor Juwanowitsch ist gekommen, das ist wahrhaftig ein Fest«, sagte Gribow und drückte Abukow in den Korbsessel, das Prunkstück in seiner Wohnung. »Nina Pawlowna wird uns verwöhnen …«
    »Für euch habe ich noch etwas gekauft.« Abukow legte die dänischen Bildmagazine auf den so schön gedeckten Tisch. »Wie sie nach Tjumen kommen, weiß keiner, nur besonders vertrauenswürdige Genossen bekommen sie unter dem Tisch, als seien es geschmuggelte Diamanten. Ich dachte, Kasimir Kornejewitsch …«
    Gribow nahm eines der Hefte, schlug es auf, warf einen Blick auf die erste Doppelseite und bekam einen hellroten Kopf. Mit bebenden Fingern und leicht wackelndem Kopf blätterte er schnell weiter, seine Augen rollten hin und her, dann atmete er tief und warf einen Blick auf Abukow.
    »Das ist etwas …«, stotterte er. »Oje … so etwas! Ninuschka, komm einmal her.«
    Die Leonowa kam vom Herd, beugte sich über Gribows Schulter, und auch ihr Gesicht rötete sich.
    »Kasimir Kornejewitsch … nein, was man so alles fotografiert!«
    »Zum Nachtisch!« schnaufte Gribow, schlug das Heft zu und legte beide Hände darauf. »Oje, wird das ein Nachtisch.« Mit einem hellen Kichern rannte die Leonowa zurück zum Herd, zu Hühnerhack und Rumkuchen.
    Abukow verabschiedete sich schnell, nachdem man diese Köstlichkeiten gegessen und den Wein getrunken hatte. Gribow erhob sich nämlich, kaum daß er den letzten Bissen verschlungen hatte, stieß den Stuhl nach hinten, griff nach den dänischen Sexmagazinen

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