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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Tschakowskaja ?« fragte Abukow stockend.
    »Wenn's das nur wäre! Irgendein Saustück hat es nun doch verraten, daß im Lager heimlich Hühnchen, Fleisch und Eier gebraten werden. Der Beweis liegt auf Jachjajews Tisch: eine knusprige Hühnerbrust. – Mustai verschlug es die Sprache, als er es durchgab.«
    »Und … und was ist geschehen?« fragte Abukow tonlos.
    »Angst und Schrecken rundherum. Verhöre. Sogenannte ›strenge Befragung‹. Ja …« Smerdow sah Abukow fast traurig an, »… auch dein Name ist genannt worden in diesem Zusammenhang. Victor Juwanowitsch , was sollen wir tun? Etwas ausdenken müssen wir uns. Alles ist gut, nur eins nicht: Weglaufen. Bloß das nicht! Mein lieber Genosse, jetzt darfst du vor Schreck in die Hosen machen.!«
    Wie war das im Lager passiert?
    Jachjajew war gerade damit beschäftigt gewesen, das Kleid, das er der hübschen Novella Dimitrowna schenken wollte, in ein schönes, buntes Papier zu verpacken – da klopfte es, und der Kriminelle Schimanskow schob sich ins Zimmer. Es war der Bursche, der einen Munitionstransporter der Roten Armee geklaut und ihn dann mit allen Waffen an die Mongolen verkauft hatte. Jachjajew diente er seit einiger Zeit als Spitzel im Lager. Allerdings hatte er in der letzten Zeit – auch, nachdem man den Toten mit einem Hühnerbeinchen in der Kehle auffand – geschwiegen, weil er bei der heimlichen Verteilung der Lebensmittel ebenfalls eine kleine Ration abbekam.
    Das hatte sich geändert. Schimanskow war bei der neuen Verteilung ausgespart worden und mußte mit wäßrigem Gaumen zusehen, wie andere Brathühnchen und Grießbrei mit Marmelade aßen. Die Ausgabe der Lebensmittel hatte diesmal der Chirurg Wladimir Fomin übernommen, und es war ein grober Fehler von ihm, den Spitzel zu vergessen – ob mit oder ohne Absicht.
    Zwei Tage lang fragte Schimanskow sich, was vorteilhafter sei: Den Mund zu halten und vielleicht in vier Wochen wieder einen zusätzlichen Bissen zu bekommen – oder Jachjajew einen Wink zu geben in der Hoffnung, damit eine Verkürzung seiner Strafzeit zu erreichen. Jachjajew hatte so etwas versprochen, aber ob er das auch hielt? Drei Spitzel, die in den vergangenen Jahren bei ähnlichen Situationen auf Jachjajew vertraut hatten, kamen nicht mehr dazu, die Früchte ihres Verrats zu ernten: Einer wurde von Unbekannten erwürgt. Der zweite wurde auf der Latrine ohnmächtig und ertrank in der Fäkaliengrube. Der dritte wurde von einem gefällten Baum erdrückt – unnatürlich daran war nur, daß jemand ihn vorher an den Stamm gebunden hatte.
    Schimanskow entschied sich nach langem Hin und Her. Da er zum Innendienst eingeteilt war, fiel es nicht auf, daß er mit einem Reisigbesen in der Hand die Kommandantur betrat. Zu seinen Aufgaben gehörte es nämlich, die Flure der Kommandantur zu fegen und die Toiletten der Offiziere zu säubern. Jachjajews Zimmer lag an einem Querflur in Schimanskows Revier, und nun war er da und grinste den Kommissar verlegen an. Jachjajew schnaubte durch die Nase.
    »Spuck es aus, Lew Porfiriowitsch !« sagte er und schob das für Novella bestimmte Paket zur Seite. »In welcher Ecke stinkt es?«
    Schimanskow griff in die Hosentasche, holte eine schmale gebratene Hühnerbrust heraus – er hatte sie aus dem Versteck eines Kameraden geklaut, der früher einmal ein Schuhmacher gewesen war – und legte sie wortlos auf Jachjajews Tisch. Eine entsagungsvolle Tat war das; stundenlang hatte Schimanskow mit sich gerungen: Gebe ich das Brüstchen ab, oder esse ich es selber auf? Die Aussicht auf das Wohlwollen des KGB war schließlich stärker gewesen.
    »Aha!« sagte Jachjajew und betrachtete das Hühnerteil, ohne es zu berühren. »Soso! Woher?«
    »Block III, Genosse Kommissar … Ich dachte, im Interesse der Wahrheit und der Bekämpfung der Korruption …«
    Schimanskow schluckte. Bist ein saublöder Hund, dachte er jetzt. Hättest du das Brüstchen gefressen, wäre es eine Wonne für deinen Magen gewesen. Was ist es nun? Eine Fahrkarte zur Begnadigung? Warten wir es ab.
    Jachjajew blickte Schimanskow an, als stinke er penetrant. Ein Verräter ist ein nützliches Werkzeug, aber menschlich gesehen ein Dreckhaufen. Man braucht ihn, auch wenn man ihn vor Verachtung in Stücke schlagen möchte.
    »Es gibt also eine Quelle, die zusätzliches Essen ins Lager sprudelt?« fragte er und setzte sich hinter den Tisch.
    »Ja, Genosse Kommissar.«
    »Und dann noch beste Hühnchen?«
    »Auch Gulasch, Eier, Marmelade,

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