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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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tiefe Stimme dröhnte durch das Holz:
    »Schlimmer! Kommen Sie heraus, Larissa Dawidowna ! Ich warte vor dem Haus. Sofort!«
    In größter Eile zog sie sich an und sah dann draußen Rassim schon ungeduldig neben seinem Geländewagen hin- und herstapfen. Von Mustai s Wohnung eilte auch Abukow herbei. Leutnant Sotow, finster wie immer, das Gesicht jetzt eher noch verkniffener, saß hinter dem Steuer und bedachte die Tschakowskaja und Abukow mit einem bösen Blick. Rassims Gesicht war unnatürlich gerötet.
    »Steigt ein!« sagte er mit einer ihm völlig fremden, gedrückten Stimme. »Eine kleine Fahrt machen wir.«
    Die Tschakowskaja zögerte und blieb vor dem Wagen stehen. »Man darf doch wohl um eine Erklärung bitten?« sagte sie abweisend. »In einer Stunde ist die Selektion.«
    » Owanessjan wird sie übernehmen!« Rassim schwang sich neben Sotow auf den Sitz. Und als Larissa und Abukow hinter ihm auf den harten kunstledergepolsterten Sitzen hockten und Sotow davonschoß mit einem rasanten Start, als ginge es in ein Rennen, fügte der Kommandant hinzu: » Kabulbekow hat vorhin angerufen. Sagte zwei Sätze und begann dann vor Entsetzen und innerer Erregung zu kotzen. Genügt das? Ich hoffe nur, Sie haben stärkere Nerven!«
    Damit war das Gespräch beendet. Larissa fragte zwar noch viermal, was der Sinn der Fahrt sei, aber Rassim schwieg verbissen. Erstaunt bemerkten sie, daß Sotow nicht zum Frauenlager fuhr, vielmehr abbog in Richtung Erdgas-Trasse, aber dann auch dort nicht hinsteuerte, sondern einen Waldweg nahm. Noch größer war ihre Verblüffung, als sie mit einem Kahlschlag, wo kreuz und quer gefällte Stämme lagen und riesige Haufen abgehauener Äste, vier Militärfahrzeuge sahen, einige Offiziere und Soldaten – und vor allem Kabulbekow , der ihnen mit schwerem Schritt entgegenkam, als Sotow anhielt.
    Die Tschakowskaja sprang als erste auf den zerwühlten Boden. »Was ist mit Ihnen?« rief sie. »Warum laufen Sie hier herum, wenn Sie krank sind.?«
    Kabulbekow blickte Rassim an: »Sie haben nichts erklärt, Rassul Sulejmanowitsch ?«
    »Sie soll es sehen …«, sagte Rassim schwer atmend. Kabulbekow zögerte, hakte sich dann bei Larissa unter und warf einen Blick auf Abukow , der an seine andere Seite trat. Leutnant Sotow blieb im Wagen sitzen. »Es gibt keinen Grund, sich zu schämen«, sagte er mit schwerer Zunge. »Ich habe gekotzt. Tun Sie es auch, Larissa Dawidowna , es befreit.«
    Nun sahen sie auch Chefingenieur Morosow in der Gruppe Menschen stehen, und plötzlich ahnten sie, daß etwas Ungeheures, etwas Unsagbares geschehen sein mußte. Er kam auf sie zu, gab Larissa die Hand, sah Abukow mit einem langen Blick an.
    »Man kann es nicht begreifen«, sagte er stockend. »Hier versagt der Verstand.«
    Sie gingen zu der Menschenansammlung, die Offiziere machten Platz, und durch diese Gasse kamen sie zu einem Reisigstapel. Davor lag, mit einer grauen Militärdecke gnädig verhüllt, eine menschliche Gestalt. Nur die Schuhe sah man – elegante, schwarze Halbschuhe, jetzt mit Lehm und Staub überzogen.
    Oberst Kabulbekow zögerte erneut, aber Rassim kam ihm zuvor. Er bückte sich schnell und riß mit einem Ruck die Decke weg.
    Der Anblick war wirklich grauenhaft. Da lag Jachjajew , nackt bis auf Socken und Schuhe, die Brust mit mehreren Messerstichen durchbohrt, und das Messer, ein breitklingiges Messer, wie man es in den Großküchen zum Durchtrennen großer Fleischstücke benutzt, stak bis zum Griffansatz tief in Jachjajews Herz. Aber nicht das war es, was das Entsetzen in den Magen trieb: Jachjajew war entmannt worden …
    Rassim schluckte und warf einen Blick auf die Tschakowskaja . Sie stand zwischen Kabulbekow und Abukow , von beiden untergehakt, aber sie erbrach sich nicht. Mit starren Augen nahm sie dieses entsetzliche Bild auf. Welch ein hartes Luder, dachte Rassim fast ehrfurchtsvoll. Was muß noch kommen, um sie aus der Fassung zu bringen? Er selbst, das gab er sich zu, spürte ein dumpfes Gefühl in seinem Magen.
    Morosow machte der grausamen Minute ein Ende; er breitete die Decke wieder über Jachjajews Körper.
    »Wer …?« fragte Abukow in die Stille hinein. Er fragte es, obwohl er die schreckliche Wahrheit fast wußte.
    »Dort … zwanzig Schritte weiter im Wald, hat sie sich an einem Ast erhängt«, sagte Morosow mit leerer Stimme. »Der Wahnsinn muß sie überkommen haben, als sie sich hier mit Jachjajew traf. Kann man's anders erklären? Nur so ist es verständlich, wo Novella die

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