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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schrie Gribow erregt. »Nicht eine Sekunde kann man die Halunken allein lassen! Was tun sie? Der eine beißt ins rohe Fleisch und schluckt einen Batzen herunter, bevor man es ihm wieder entreißen kann, und der andere taucht doch seinen Kopf voll in den Bottich mit Quark und schlürft ihn in sich hinein wie ein Saugbagger. Beim nächstenmal hol ich die Peitsche und leih mir von Rassim einen Hund!«
    Ohne den Blick zu heben, trabte der General wieder hinaus zum Wagen. Abukow folgte ihm, aber im Vorbeigehen nickte er dem Schriftsteller beruhigend zu. Am Ende des Ausladens blieben nur noch drei Häftlinge übrig und starrten auf den Rest, der im Kühlwagen geblieben war … der Anteil Abukows an der Umverteilung. Abukow hockte auf dem Wagenrand und sah hinunter zu dem General.
    »Das ist alles für euch«, sagte er leise. »Ich lasse den Wagen offen. Erst morgen früh fahre ich zurück nach Surgut. Überlegt euch, wie ihr die Sachen ins Lager bringt.«
    »Sie … Sie vollbringen Wunder an uns«, sagte der General mit stockender Stimme. »Wunder.«
    »Wunder kommen von Gott. Ich bin nur ein Mensch. Aber könnte es nicht sein, daß Gott durch mich bei euch ist? Überlegt das mal.«
    Er sprang von der Ladeklappe und ließ die Häftlinge mit staunend weiten Augen zurück.
    Während Abukow bei Gribow seine Rückkehr feierte und die Köchin Nina Pawlowna einen himmlischen kaukasischen Karabachchorowaz – das ist Schweinefleisch am Spieß mit einem Granatapfelsirup – briet und Gribow eine Flasche Wodka spendierte, begann draußen heimlich und mit aller Vorsicht, so daß es kein Unbefugter merkte, der stückchenweise Abtransport der Spenden. Die halbe Speckseite wurde zerteilt in kleine Stücke, die Schmalzblöcke wurden geviertelt. Schokolade und andere kleine Teile machten keine Schwierigkeiten, ein Problem aber wurden die fünfzehn Hühner und die Dosen mit Fertiggerichten.
    Der General und der Schriftsteller berieten sich. »Da stehen wir nun da!« sagte Arikin. »Es ist niemand in der Nähe, dem man vertrauen könnte. Du hast gewußt, Fedja, daß er die Hühner bringt. Wir hätten dafür sorgen müssen …«
    »Was Abukow alles gesagt hat. Ha!« Der General warf die Arme in die Luft. »Habt ihr es geglaubt? Und einig waren wir uns, daß er ein Agent ist! Schiebt mir jetzt nicht alle Verantwortung zu. Das nicht, Freunde!« Er starrte auf die Hühnerchen und die Weißblechbüchsen, die halbgefüllte Quarkwanne und die Margarineblöcke. Kraft für einen ganzen Monat, wenn man alles gut einteilte. Die Hühner mußte man braten, zerlegen und die Portionen möglichst mit gleichem Gewicht verteilen. Der Chirurg und der Physiker, vor allem aber der Jurist Ilja Kriwow waren darin penibel genau: Sie wogen alles mit ihrer kleinen Handpendelwaage nach – und wehe, irgendwo schlug sie über Gebühr nach unten! Ein Gramm kann lebensrettend sein, vor allem, wenn es Fett oder Zucker ist, Eiweiß oder Stärke.
    »Wir sollten Fomin fragen«, sagte der General. »Geh hinüber in die Schusterei und berate dich mit ihm. Mein Vorschlag: Ihr holt eine große Materialkiste, marschiert am Werkstattmagazin vorbei und kommt wieder hierher. Es fällt nicht auf, wenn ihr die Kiste dann schwer beladen zurück in die Schusterei schleppt. In der Nacht schieben wir sie dann durch das lockere Brett im Zaun. Das ist der einzige Weg.«
    Und so geschah es. Am Abend trugen der Schriftsteller und der Chirurg eine gewaltige Kiste über den großen Platz zum Zentralmagazin, stellten sich dort hinter einen Bauwagen, warteten eine anständige Zeit und keuchten dann unter der Last der – noch leeren – Kiste zurück zur Schusterei. Dabei machten sie einen kleinen Umweg, verschwanden hinter dem Kühlwagen Nummer 11 dessen Ladeklappe nicht einsehbar war, und füllten die Kiste mit den Wunderdingen. Wladimir Fomin, der Chirurg, schluchzte, als er die fünfzehn Hühner in die Kiste legte. Seine Nerven hielten den Anblick kaum aus.
    »Das Transportproblem scheinen wir gelöst zu haben, auch für späterhin!« sagte der General. »Aber im Lager ergeben sich fast unüberwindliche Schwierigkeiten: Den Bratenduft von fünfzehn Hühnern können wir nicht wegwedeln! Über alle Baracken wird er ziehen. Und wer ihn riecht – es werden genau 1.200 Mann sein –, wird die Fährte wie ein Wolf aufnehmen. Ein gebratenes Huhn – im Lager! Dafür kann man zum Mörder werden. Wie braten wir die Hühner?«
    »Die Tataren hatten da früher eine eigene Methode, ein Huhn zu

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