Ein Kuss für die Ewigkeit: Roman (German Edition)
bestimmten Klischee bei ihm? Nein, ganz bestimmt nicht.
»Shelley?«
Ein leises Klopfen an der Tür ließ sie zusammenfahren. Benommen setzte sie sich auf den Bettrand. »Ja, Mom.«
Die Tür wurde geöffnet, ein schmaler Streifen Licht flutete ins Zimmer. War es draußen schon dunkel? »Du möchtest doch sicher eine Tasse Tee.«
Shelley nickte abwesend. »Danke, ja. Tee ist genau das Richtige.«
Ihre Mutter stellte das Tablett auf dem Nachttischschränkchen ab. »Komm, Liebes, zieh das Kleid aus und mach es dir bequem.«
Wenige Minuten später lag sie wieder im Bett, diesmal in einem hochgeschlossenen Nachthemd. Für ihre Hochzeitsnacht hatte sie sich wahrlich etwas anderes vorgestellt. Sie spähte neben sich zu dem Kissen – das hätte Grant eigentlich benutzen sollen. Eine stumme Träne rollte über ihre Wange. Spontan fasste Mrs. Browning die Hand ihrer Tochter und drückte sie mitfühlend.
»Schlaf jetzt, Kleines. Du brauchst deinen Schlaf.«
Das Geschirr klapperte leise, als ihre Mutter das Tablett wieder hochnahm und aus dem Zimmer trug. Nachdem der Raum erneut in Dunkelheit getaucht lag, sank Shelley bald darauf in einen unruhigen, traumlosen Schlaf.
Schweren Herzens reisten ihre Eltern am nächsten Morgen wieder ab. Sie hatten angeboten, noch ein paar Tage zu bleiben, aber Shelley wollte unbedingt allein sein. Sie hatte das Gefühl, dahinzuvegetieren, eine kraftlose Hülle, der man Herz und Seele und sämtliche Eingeweide herausgerissen hatte. Da verbrachte sie die nächsten Tage lieber einsam und zurückgezogen, bis sie sich wieder unter Menschen wagen konnte.
Am dritten Tag ihrer selbst gewählten Einsamkeit aß sie zum ersten Mal wieder etwas. Sie telefonierte mit einigen Kommilitonen und bat um Kopien der Notizen, die sie sich in den Vorlesungen gemacht hatten.
Das Leben ging nun einmal weiter, und sie durfte mit dem Unterrichtsstoff nicht zu sehr ins Hintertreffen geraten. Musste an ihre berufliche Zukunft denken – das Einzige, was sie momentan noch aufrecht hielt.
Als ihre Kommilitonen mit den erbetenen Mitschriften vorbeikamen, bat Shelley sie nicht herein, sondern hielt sie mit der Ausrede auf Distanz, sie habe sich einen hochansteckenden Virus eingefangen.
Ihre Eltern riefen jeden Abend bei ihr an. Dann schlug Shelley einen bewusst unbefangenen Plauderton an, damit sie sich nur ja keine Sorgen machten. Nicht ahnend, wie bedrückt sie am Telefon klang.
Mit der üblichen Lethargie krabbelte Shelley am Freitagmorgen aus den Federn. Mechanisch schleppte sie sich in die Küche und machte sich lustlos einen Kaffee. Als das Telefon klingelte, griff sie eher genervt nach dem Hörer.
»Shelley«, drängte ihre Mutter am anderen Ende der Leitung, »dein Vater und ich finden, dass du für ein paar Tage zu uns nach Hause kommen solltest. Glaub mir, du brauchst einen kleinen Tapetenwechsel.«
Shelley sank gegen den Küchentresen. »Nein, Mutter. Zum letzten Mal: Mir geht es gut. Es dauert eben seine Zeit, bis ich über ihn hinweg bin.«
»Das kannst du mir doch nicht erzählen. Du hattest schon immer ein besonderes Faible für diesen Mann, nicht, Shelley?«, fragte ihre Mutter sanft.
»Ja, Mom. Immer schon«, gestand ihre Tochter.
Mrs. Browning seufzte. »Das dachte ich mir. Das ganze Jahr – wenn ich nicht irre, war es dein letztes an der Highschool – hast du ständig von ihm erzählt. Als er die Schule verließ, warst du wie ausgewechselt, hast
an allem das Interesse verloren. Zunächst bin ich nicht darauf gekommen, aber als du ihn weiterhin erwähntest, hab ich zwei und zwei zusammengezählt. Ich war so erleichtert, als du wieder etwas gefestigter schienst und das College besuchtest. Ich hatte ihn total verdrängt, bis er an jenem Tag bei uns anrief. Und war freilich völlig baff, als er sich aus heiterem Himmel meldete und sich vorstellte …«
Aufgeregt presste Shelley den Hörer ans Ohr. »Er hat angerufen?«, hauchte sie. »Bei euch? Wann war das? War er in Poshman Valley?«
Shelleys plötzlich ungeduldiger Wortschwall blieb ihrer Mutter natürlich nicht verborgen. »Nein, er rief aus Oklahoma City an. Erwähnte irgendwas von einem Kongress in der Hauptstadt. Ich …«
»Was wollte er denn?«
»Er… er hat sich nach dir erkundigt, wollte wissen, was du machst und wo du wohnst.«
Shelleys Herz jagte wie ein Trommelwirbel. Er hatte sie nicht vergessen! Er hatte bei ihnen zu Hause angerufen! Sie schluckte hörbar. »Mom, weißt du noch ungefähr, wann das war? Was hab
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