Ein Kuss für die Ewigkeit
es, erst einmal ein sicheres Versteck ausfindig zu machen, das nicht zu weit vom Weg entfernt lag, damit sie Sir Oliver sehen konnten.
Schließlich stieß sie auf ein Dickicht rund um die Suhle eines Wildschweins, die aber in jüngster Zeit nicht benutzt worden war, da sonst der Schlamm aufgewühlt gewesen wäre. Außerdem hätte es nach Wildschwein riechen müssen. Hier sollten sie gut aufgehoben sein.
Lizette durchquerte mit Keldra an der Hand die natürliche Eingrenzung aus Büschen, dann kniete sie sich auf den mit Blättern übersäten Boden und spähte durch die dünnen Zweige, wobei sie darauf achtete, dass man sie vom Weg aus nicht bemerkte.
Keldra kauerte neben ihr, die Hände auf ihr tränenverschmiertes Gesicht gelegt, und weinte unablässig weiter.
Während sie scheinbar Stunden damit verbrachte, den Weg im Auge zu behalten, musste Lizette gegen ihre Verzweiflung und Schuldgefühle ankämpfen, denn immer wieder erschien vor ihrem geistigen Auge, wie Iain niedergestochen wurde.
Wäre sie nicht so verärgert darüber gewesen, wie ein kleines Kind nach Hause zurückbeordert zu werden, hätte sie unterwegs nicht so getrödelt. Und hätte sie nicht vorgegeben, immer noch krank zu sein, weshalb sie nur langsam weiterreisen konnten, dann wären sie längst alle wohlbehalten zurück in Averette gewesen.
Vielleicht war Iain ja gar nicht tot, sondern nur verwundet. Lindall hatte womöglich gelogen oder sich einfach geirrt. Vielleicht würden sie bei ihrer Rückkehr einen schwer verletzten, aber lebendigen Iain antreffen.
Doch sie wollte gar nicht an den Ort des Überfalls zurückkehren, jedenfalls jetzt noch nicht. Erst musste Sir Oliver ihr versichern, dass es dort wieder sicher war. Womöglich wusste er ja, was dieser Lord Wimarc von ihr wollte. Sie konnte sich nur vorstellen, dass es dem Mann um ein Lösegeld ging.
Plötzlich hörte sie ein Geräusch und schob ein paar Zweige zur Seite, um den Weg besser überblicken zu können. Erleichterung erfasste sie, als sie Sir Oliver entdeckte, wie er mit dem Schwert in der Hand den Weg entlanglief und den Wald zu beiden Seiten absuchte.
Er war allein. Wo war seine Jagdgesellschaft? Und wo waren ihre eigenen Männer?
Sie schob sich durch das Dickicht, die weinende Keldra war dicht hinter ihr. „Sir Oliver!“
Als er sie sah, blieb er stehen und winkte sie zu sich. „Bleibt in meiner Nähe und verhaltet Euch so ruhig, wie Ihr könnt.“
„Wo ist der Rest Eurer Jagdgesellschaft?“
„Ich werde Euch sofort hinbringen.“
„Was ist mit meinen Männern?“
„Tot. Oder so gut wie tot, Mylady.“
„Das kann nicht sein!“, protestierte sie und merkte, wie die Angst wieder Oberhand bekam. „Iain ist der beste Soldat in England und der beste Hauptmann. Meine Männer stellen die beste Garnison Englands dar. Diese zusammengewürfelte Truppe von Gesetzlosen und Söldnern kann nicht jeden von ihnen geschlagen haben.“
„Diese Truppe war zahlenmäßig dreimal so stark wie Eure Eskorte. Und die Überlebenden dieser Bande werden sich jetzt an Eure Fährte heften. Wir müssen so schnell wie möglich von hier verschwinden.“
Wie es schien, hatte sie nur zwei Möglichkeiten: Sie konnte bleiben und eine Gefangennahme riskieren, oder aber sie verschwand mit Sir Oliver von hier.
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, legte Lizette den Arm um Keldra, um ihr Halt zu geben, dann folgten sie gemeinsam Sir Oliver.
3. KAPITEL
„Danke, dass Ihr uns zu Hilfe geeilt seid“, erklärte Lizette nachdem sie bereits eine Weile unterwegs waren. Der Überfall hatte sich am Morgen abgespielt, und nach dem Stand der Sonne zu urteilen, musste es jetzt nach Mittag sein.
„Das war doch selbstverständlich“, erwiderte er ein wenig brüsk.
Das mochte für ihn gelten, aber wäre er nicht aufgetaucht, um Lindall Einhalt zu gebieten, dann … nein, sie wollte gar nicht erst darüber nachdenken, was ihr und Keldra alles hätte zustoßen können.
Plötzlich blieb Sir Oliver stehen und hob eine Hand. Fast gleichzeitig ließ sich ein Junge von vielleicht sechzehn Jahren von einem Baum ganz in der Nähe herab. Auf dem Rücken trug er einen Bogen, an seiner Seite hing ein Köcher mit Pfeilen. So wie Sir Oliver trug er ein Lederwams ohne Hemd darunter, eine Wollhose und Stiefel. Auch sein Haar reichte bis auf die Schultern, die fast so breit waren wie die des irischen Adligen. Er musste zur Jagdgruppe gehören, vermutlich ein Diener, auch wenn Lizette sich darüber wunderte, was er auf einem
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