Ein Kuss für die Ewigkeit
nun endlich aufgegessen habt, Mylady“, sagte Wimarc mit einem Anflug von Ungeduld, „werde ich Euch in meine Privatgemächer führen, damit Ihr den Brief an Euren Verwalter schreiben könnt.“
Sie hatten sich auf keinen Vorwand geeinigt, aber offenbar waren sie und Finn nicht die Einzigen, die in der Lage waren, sich eine passende Geschichte auszudenken.
„Ja, dafür wäre ich Euch dankbar“, erwiderte sie, wischte die Finger ab und ließ sich von Wimarc aufhelfen.
Sie sprachen kein Wort, als sie den Saal in Richtung einer anderen Treppe durchquerten, über die sie in die oberen Stockwerke der angeschlossenen alten Festung gelangten. Wimarcs Blick schien sich in ihren Rücken zu bohren, als sie mit der einen Hand ihre Röcke raffte, sich mit der anderen Hand an dem in die Mauer gemeißelten Geländer festhielt und die Stufen erklomm.
Es kam ihr vor wie die Leiter zum Galgen, wo der Henker auf sie wartete, doch hierbei handelte es nicht um ihren bevorstehenden Tod, sondern um die Rettung ihrer Schwestern und Ryder.
Als sie das obere Stockwerk erreichte, sah sie eine Holztür und eine zweite Tür am anderen Ende des Treppenabsatzes, die nach draußen führen musste. Zwei Zugänge zu dieser Etage – oder zwei Fluchtwege, wenn es erforderlich wurde.
Wimarc schloss auf und bedeutete ihr einzutreten. Als sie an ihm vorbeiging, warf sie einen aufmerksamen Blick auf den großen eisernen Schlüssel in seiner Hand sowie auf das Schloss selbst. Sie war sich sicher, dass unter Finns Werkzeugen eines war, das eine ähnliche Form und Größe besaß.
Und dann stand sie in Wimarcs Allerheiligstem, wo sie beide allein sein würden.
Im Gegensatz zu den übrigen Räumlichkeiten war dieses Gemach äußerst spartanisch eingerichtet. Außerdem war es recht düster, da es nur schmale Fensterschlitze gab, durch die etwas Licht hineinfiel. Sie entdeckte einen großen, schlichten Tisch, darauf befanden sich Schreibgeräte sowie eine kleine schmucklose Truhe. Vor dem Tisch stand ein einzelner, gleichfalls schlichter Stuhl, daneben eine leere Kohlenpfanne.
Während Wimarc hinter ihnen die Tür zumachte, was in Lizettes Ohren so klang, als würde die Tür zu einem Grabmal zugeworfen, versuchte sie, nicht zu auffällig auf das Schloss der kleinen Truhe zu starren. Sie hörte, wie er den Schlüssel umdrehte, womit sie Wimarc nun endgültig ausgeliefert war. Zumindest fühlte sie sich so.
Sie schlang die Arme um sich, weil ihr kalt und unwohl war, und als sie sich zu ihm umdrehte, machte sie keinen Hehl aus ihrem Unbehagen. „Vielleicht sollte ich besser nicht bleiben. Wenn mein Ehemann erfährt, dass ich mit Euch allein war …“
„Ihr müsst ihm nur sagen, dass Ihr in einer Angelegenheit Eures Haushalts Eurem Verwalter schreiben musstet“, sagte er und trat näher. „Ihr seid doch verantwortlich für seinen Haushalt, oder nicht?“
„Ja.“ Sie bewegte sich auf den Tisch zu, um Abstand zu Wimarc gewinnen. „Aber was ist, wenn er mir nicht glaubt?“
„Dann riskiert er, mich zu beleidigen, und ich bin davon überzeugt, dass er sich das lieber zweimal überlegen wird … oder überlegen sollte.“
Diese Drohung steigerte ihr Unbehagen und ließ sie schaudern. „Nein, nein, er wird Euch nicht beleidigen wollen“, murmelte sie, während ihr bewusst wurde, dass sie mit dem Tisch im Rücken Wimarc nicht mehr ausweichen konnte. Also machte sie einen Schritt zur Seite in Richtung Fenster.
„Ist Euch kalt, Mylady? Soll ich Euch wärmen?“
„Mir ist nur ein wenig kühl“, erwiderte sie und rieb mit den Händen über ihre Arme. „Das wird bald wieder vorübergehen.“
„Ihr werdet doch jetzt nicht die schüchterne Dame spielen?“, fragte Wimarc mit leiser Stimme, die Lizette eine Gänsehaut verursachte. „Nicht nach diesem Kuss.“
Sie wünschte, sie hätte es nicht zu dem Kuss kommen lassen. „Ich habe nie zuvor meinen Ehemann betrogen“, sagte sie, um ihren scheinbaren Sinneswandel zu begründen. „Er kann entsetzlich zornig werden, Mylord.“
„Dann sollten wir eben dafür sorgen, dass er nichts davon erfährt“, meinte Wimarc und machte wieder einen Schritt auf sie zu.
Sie versuchte vorsichtig ihn abzuwehren. „Er wird mich umbringen, wenn er herauskriegt, dass ich Ehebruch begangen habe.“
Bevor sie ihm abermals entwischen konnte, bekam Wimarc sie zu fassen und nahm sie unsanft in die Arme. „Haltet Ihr mich für einen liebeskranken Knaben, der sich damit begnügt, mit Euch zu schäkern, Mylady?“,
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