einen
freundschaftlichen Rat gerade ganz gut gebrauchen.«
»Tja, also,
wahrscheinlich hat Lucius bereits daran gedacht, aber falls nicht – vielleicht
solltest du die Ältesten auffordern, ihre Pflöcke vorzuzeigen.«
»Was?«,
Mindy platzte mit der Frage heraus, noch bevor ich es konnte.
»So ist der
Mörder meines Vaters letztendlich überführt worden«, erklärte Ylenia uns
beiden, denn ich hatte den Prozess ja auch verpasst. Dann sah sie allerdings
nur Mindy an, weil sie wohl davon ausging, dass ich schon wusste, was sie als
Nächstes erklärte: »Jeder männliche Vampir besitzt einen Pflock, der ihm, wenn
er zum Mann wird, von seinem Vater überreicht wird.«
Da fiel mir
wieder etwas aus dem Tagebuch meiner Mutter ein: »Der Pflock ist, wie sein
Blut, kennzeichnend für einen Vampir ...« Und ich wusste, dass Lucius nur einen Pflock hatte.
Ich
erklärte es Mindy noch einmal in Worten, die sie verstehen würde: »Ylenia hat
recht. Ein Pflock ist ... wie ein Bar-Mizwa-Geschenk.«
Mindy
runzelte die Stirn. »Was für ein seltsames Geschenk.«
»Vielleicht«,
stimmte Ylenia ihr zu. »Aber die meisten männlichen Vampire, besonders die
adligen, benutzen nur diesen einen Pflock, wenn sie eine Waffe brauchen.
Er ist wie die Verlängerung ihres Armes.« Sie machte eine Pause. »Und ein
Pflock wird niemals ›verlegt‹.«
»Du meinst
also, wenn einer der Ältesten Claudiu vernichtet hat, wird das Blut an seiner
Waffe zu finden sein«, schlussfolgerte ich.
Ylenia
nickte. »Genau. Der Geruch vom Blut meines Vaters war am Pflock seines
Mörders. Es war eindeutig.«
»Das wird
mir ein bisschen zu abgedreht«, unterbrach Mindy sie. »Sorry.«
»Es ist
auch ziemlich abgedreht«, gab ich zu. Aber trotzdem konnte es eine einfache
Methode sein, den Mörder zu finden. Zumindest würde es Lucius entlasten, denn
sein Pflock würde ganz sicher nicht nach Claudius Blut riechen.
»Lucius hat
bestimmt schon selbst daran gedacht«, fügte Ylenia noch einmal hinzu. »Aber für
den Fall, dass er gerade zerstreut ist – und trauert –, dachte ich, ich weise
dich darauf hin.«
Ich war mir
nicht so sicher, dass Lucius trauerte, aber er war definitiv zerstreut.
»Danke.«
»Ich bin
froh, wenn ich irgendwie helfen kann«, sagte Ylenia. Dann sah sie zur Tür. »Ich
gehe dann mal wieder.«
»Danke«,
wiederholte ich. »Lass uns später was zusammen machen. Wir drei.«
Ylenias
Miene hellte sich auf. »Das wäre schön, ja.«
Als sie
gegangen war, half ich Mindy, ihre Sachen weiter auszupacken. Ich fühlte mich
ein bisschen besser, aber Mindy war
sehr still geworden. Sie packte ihre Schuhe aus und reihte sie auf dem Boden
des großen, doppeltürigen Schrankes auf. Wahrscheinlich würde der Platz dennoch
nicht für alle reichen.
Ich schwieg
ebenfalls. Gedankenverloren hängte ich ein Kleid auf, das perfekt für eine Party gewesen wäre, die es
nun wahrscheinlich nie gehen würde.
Muss ich
mir wirklich Sorgen um Lucius machen?
Wo ist er letzte Nacht bloß gewesen?
Plötzlich
unterbrach Mindy meine Gedanken mit einer Frage, die ich mir vorher noch nie
gestellt hatte. Aber jetzt machte
sie mich tatsächlich neugierig.
»Diese
Ylenia ...« Sie sagte es fast beiläufig. »Sie ist doch so was wie ein richtiger Vampir, oder? Also,
ich meine, ihre Zähne wachsen und sie trinkt Blut und so? So wie bei dir,
nachdem Lukey dich gebissen hatte?«
Ich drehte
mich zu ihr um. »Ja, ich denke schon.«
»Hmm ...«
Mindy kniete sich hin, um ihre Schuhe etwas ordentlicher hinzustellen. »Ich
frage mich nur, wer zum Teufel sie gebissen hat?«
Kapitel 26
Lucius
Von:
[email protected] An:
[email protected] Raniero –
Ich
verzichte darauf, meiner Bestürzung darüber Ausdruck zu verleihen, dass ein anderer
junger Vampir abtrünnig geworden und an den Strand gezogen ist. (Ist dies ein
neuer Trend? Ich weiß wohl, dass wir in der Sonne nicht zerfallen, aber sollten
die Zeiten, die wir dem Sonnenlicht ausgesetzt sind, für uns Wesen, die die
dunkle Seite des Universums regieren, nicht trotzdem begrenzt sein? Kann
jemand, der nach Kokosnuss-Öl riecht, Ehrfurcht erregen?) Und ich werde auch
meine Belehrungen über Burritos – die, wie Du schon ganz richtig bemerkt hast,
unvermeidlich sind – auf ein andermal verschieben, um Dich wissen zu lassen,
dass die Nachricht stimmt. Claudiu ist vernichtet.
Ich kann
mir vorstellen, dass diese Neuigkeit in Dir die gleichen widersprüchlichen
Gefühle weckt, die ich gerade durchmache, der