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Ein Kuss und Schluss

Ein Kuss und Schluss

Titel: Ein Kuss und Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Graves
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ließ sich dazu benutzen, den Pfosten seines Betts durchzusägen. In den folgenden fünf Minuten saß er wutschnaubend ans Kopfende des Betts gelehnt da und verfluchte sie, weil sie ihn in dieser entwürdigenden Lage zurückgelassen hatte. Und in der nächsten Stunde wollte er sie abwechselnd erdrosseln und wieder zärtlich in den Armen halten.
    Sie muss schuldig sein, sonst wäre sie nicht davongelaufen.
    Er schob diesen Gedanken immer wieder von sich, weil er nicht daran glauben wollte, aber er kehrte hartnäckig zurück, bis er gezwungen war, sich den Tatsachen zu stellen. Wer schuldig war, rannte davon. Wer unschuldig war, blieb und kämpfte um sein Recht.
    Sie war davongerannt.
    Sein Glauben an sie war nur noch ein winziges Fünkchen, das von Minute zu Minute blasser wurde. Doch er versuchte, ihn am Leben zu erhalten, er wollte an Renees Unschuld glauben, weil er es andernfalls bitter bereuen müsste, mit ihr geschlafen zu haben. Er wusste nicht, wie er den Rest seines Lebens mit einer solchen Erinnerung überstehen sollte.
    Dann hörte er einen Schlüssel an der Haustür.
    Er schloss die Augen. Okay, es ging also los. Wenn seine Schwester ihn sah, wie er ans Bett gefesselt war - und obendrein völlig nackt -, wäre das für ihn die demütigendste Erfahrung, die er sich vorstellen konnte. Diese beispiellose Gelegenheit, Witze ohne Ende reißen zu können, würde sie auf keinen Fall ungenutzt verstreichen lassen. Diese Erniedrigung würde ihn auf alle Zeit verfolgen.
    Er beschloss, kein Wort zu sagen. Er wusste nicht, welche Geschichte Renee sich ausgedacht hatte, um Sandy zu bewegen, nach ihm zu sehen. Seine Schwester sollte glauben, was sie wollte, und er würde sich für den Rest seines Lebens von den Sonntagsmahlzeiten der Familie fernhalten.
    Er hörte Schritte im Korridor, dann erschien jemand im Eingang zum Schlafzimmer.
    Er blinzelte. Das konnte nicht sein.
    Renee.
    Sie hielt einen Moment an der Tür inne, dann kam sie zum Bett. Ihre Augen waren gerötet und verquollen, als hätte sie geweint, aber sie hatte den Schlüssel für die Handschellen dabei.
    Zu seiner maßlosen Verblüffung setzte sie sich neben ihn. Ihre Hände zitterten, und sie brauchte drei Versuche, um den Schlüssel ins Handschellenschloss zu stecken. Sie schaffte es kaum, ihn herumzudrehen, aber dann fiel die Schelle von seinem Handgelenk ab.
    In dem Augenblick, als John freikam, entlud sich schlagartig all sein aufgestauter Zorn. Er packte Renee an den Schultern und warf sie mit dem Rücken aufs Bett. Er hielt sie an den Oberarmen fest und drückte sie gegen die Matratze. Sie presste die Augenlider fest zusammen, als erwartete sie einen Angriff - ob verbal, körperlich oder etwas von beidem. Und in diesem Moment konnte er keine dieser Möglichkeiten ausschließen. Ein Dutzend unterschiedlicher Gefühle bestürmte ihn, und er wusste nicht, worauf er zuerst reagieren sollte. Schließlich entlud sich der Frust, der sich in der vergangenen Stunde angesammelt hatte, in einem heftigen Wutausbruch.
    »Was ist los mit dir?«, brüllte er sie an und schüttelte sie. »Weißt du nicht, dass es das Dümmste war, was du tun konntest, als du mich hier zurückgelassen hast?«
    Sie schluckte und blickte mit schreckgeweiteten Augen zu ihm auf.
    »Was zum Teufel hast du dir nur dabei gedacht!«
    Sie antwortete immer noch nicht, so als wären ihr plötzlich die Stimmbänder abhanden gekommen. Er kochte weiter vor Wut, doch als er auf sie hinabsah, gewann schließlich ein Gefühl die Oberhand, mit dem er überhaupt nicht gerechnet hatte. Erleichterung. Eine plötzliche, überwältigende Erleichterung, dass sie zurückgekommen war.
    »Wirst ... wirst du mich jetzt ins Gefängnis bringen?«
    Wer unschuldig war, blieb und kämpfte um sein Recht.
    Er konnte es noch nicht fassen, dass sie wirklich zurückgekommen war, trotz der drohenden Haftstrafe, vor der sie so schreckliche Angst hatte. In diesem Moment wusste er, dass er es unter keinen Umständen fertig bringen würde, sie auszuliefern - auch wenn es ihn den Job kostete.
    Er lockerte den Griff um ihre Arme. »Nein«, sagte er mit erschöpftem Flüstern. »Ich bringe dich nicht ins Gefängnis.«
    »Noch nicht? Oder nie?«
    Wie war es dazu gekommen? Wie hatte sich innerhalb weniger Tage sein komplettes Leben ändern können, bis für ihn nicht einmal mehr sein Job an erster Stelle kam? Bis er weit abgeschlagen höchstens an zweiter Stelle stand?
    »Nie«, sagte er.
    »Glaubst du mir wieder?«
    »Ich denke,

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