Ein Kuss und Schluss
eine Pistole aus dem Hosenbund und richtete sie auf Renee, so dass sie direkt in den Lauf starrte.
»Polizei! Stellen Sie den Motor ab!«
Renee schnappte nach Luft, als sie die Waffe sah. Sie hasste Waffen.
»Los! Sonst schieße ich ein Loch in dieses Fenster!«
Er machte den Eindruck, als meinte er es ernst. Sie bezweifelte nicht, dass er die Scheibe mit bloßen Fäusten einschlagen würde, wenn er keine andere Möglichkeit sah, ihrer habhaft zu werden.
Wenn doch nur der Junge im Wagen vor ihr so vernünftig wäre, sich und seine Freunde vor dem rasenden Kerl, der mit einer Waffe herumfuchtelte, in Sicherheit zu bringen. Dann hätte Renee versuchen können zu fliehen. Aber der Junge starrte gebannt auf das Spektakel, das John abzog, als würde er eine Polizeiserie im Fernsehen verfolgen.
»Deine letzte Chance, Renee!«
Sie war gefangen. Vielleicht war es besser, ihn hereinzulassen, als ihn zu zwingen, sich gewaltsam Zugang zu verschaffen. Er würde sie trotzdem übel zurichten, das war klar, aber vielleicht würde er sie am Leben lassen. Sie schaltete das Getriebe in den Parkgang.
»Mach die Tür auf!«
Renees Finger verharrte zögernd über dem Knopf.
»Sie widersetzen sich der Verhaftung! Öffnen Sie die Tür, oder ich schlage die Scheibe ein. Sofort!«
Renee hielt den Atem an und drückte auf den Knopf der Zentralverriegelung. Alle Türschlösser sprangen auf. John steckte die Pistole in den Hosenbund zurück und riss die Tür auf. Seine Hand packte ihren Arm, er zerrte sie aus dem Wagen und wirbelte sie herum.
»Hände auf die Motorhaube!«
»John, bitte ...«
»Sei still und leg die Hände an den Wagen!«
Sie gehorchte ihm und machte es genauso wie ein gewöhnlicher Verbrecher, was sie in seinen Augen auch war.
Er klopfte sie grob ab. Seine Hände arbeiteten sich an ihrem Brustkorb, ihren Hüften und dann an beiden Beinen nach unten. In ihrem Hinterkopf blitzte eine Erinnerung an die Fantasien auf, denen sie sich vor weniger als einer Stunde hingegeben hatte, aber darin hatte er sie nicht auf diese Weise angefasst.
»Du weißt, dass ich unbewaffnet bin«, sagte sie. »Ich habe keine Pistole. Ich hasse Waffen. Ich hasse sogar dieses Wort...«
»Ach ja? Trotzdem hast du auf eine Supermarktbesitzerin geschossen.«
»Das war ich nicht!«
Er riss sie wieder herum, packte sie an den Armen und drückte sie gegen den Wagen. Er funkelte sie mit kaum verhohlener Mordlust in den Augen an.
»Du bist eine flüchtige Verbrecherin, Lügnerin, Autodiebin und Brandstifterin«, brummte er. »Ich sollte dich ...«
»Ich bin unschuldig! Ich habe nichts von dem getan, was man mir vorwirft!«
»Unschuldige laufen nicht davon! Und sie stehlen auf gar keinen Fall Autos!«
»Ich habe es nur geliehen. Wirklich, ich ...«
»Du scheinst die Bedeutung bestimmter Worte durcheinander zu bringen, Renee. Leihen und stehlen ist nicht dasselbe. Wenn ich dir etwas gebe, dann ist das Leihen oder Borgen. Wenn du meine Schlüssel nimmst, während ich schlafe, ist das Stehlen. Jetzt steig in den Wagen!«
Er stieß sie hinein und folgte ihr. Der Minivan stand immer noch vor ihnen, und die Insassen verfolgten gebannt das Geschehen, als ginge die Action nach dieser Werbepause jeden Augenblick weiter.
John drückte auf die Hupe. Die Jugendlichen rissen die Augen auf. Der Fahrer zog den Kopf in den Wagen zurück, trat aufs Gaspedal und verließ den Drive-in. Offenbar war er zu der Erkenntnis gelangt, dass Johns Waffe dem Gehupe zusätzlichen Nachdruck verlieh. Als John am Fenster vorbeifuhr, machte das junge Mädchen an der Ausgabe den Eindruck, als hätte sie soeben ihren Kaugummi verschluckt.
»Du hättest mir sagen müssen, dass du Polizist bist«, murmelte Renee.
»Du hättest mir sagen müssen, dass du eine Kriminelle auf der Flucht bist.«
»Ich bin nicht auf der Flucht! Ich meine, eigentlich schon, aber nur weil ...«
»Vergiss es. Ich will es gar nicht hören.«
»Wohin fahren wir?«
»Zu Leandro. Damit er dich wieder in Gewahrsam nehmen kann.«
Renee schluckte vor Entsetzen. Hatte er wirklich vor, sie der Gnade dieses Wahnsinnigen auszuliefern? »Aber du bist doch Polizist! Hast du nicht Vorrang oder mehr Befugnis oder so was?«
»Nur wenn ich entscheide, meine Befugnisse anzuwenden. In dem Augenblick, als deine Kaution festgelegt wurde, hast du deine Rechte an der Garderobe abgegeben. Wenn du türmst, kann sich jeder Kopfgeldjäger um den Auftrag bewerben, dich wieder einzufangen. Leandro ist befugt, dich in
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