Ein Kuss unter dem Mistelzweig
Gesicht gemeißelt, als fürchtete sie, dass Lauries kulinarisches Unvermögen auf sie abfärben könnte, wenn sie nicht genügend Abstand hielt. Laurie hätte sicherlich gar nicht erst gefragt, wäre sie nicht derart verzweifelt gewesen – denn sie hatte nur ein Fertiggericht vom Bahnhof mitgebracht, und das war nun rabenschwarz verkokelt. Dabei war ihr nach der langen Reise fast schlecht vor Hunger.
»Am Samstag ist hier in der Stadt Wochenmarkt«, erklärte Diana. »Dort können Sie gesunde Lebensmittel kaufen.« Sie musterte Laurie, die immer noch in den rosafarbenen Morgenmantel gekleidet war, den sie sich aus Rachels Badezimmer geliehen hatte, von Kopf bis Fuß.
Laurie erwiderte Dianas durchdringenden Blick. Am liebsten würde sie dieser hochnäsigen Frau mal so richtig die Meinung sagen – doch sie biss sich auf die Zunge. Schließlich war sie es Rachel schuldig, es sich nicht gleich am ersten Tag mit sämtlichen Nachbarn zu verderben.
»Okay. Dann also vielen Dank für Ihre Hilfe, Diana«, zwang sich Laurie zu antworten, als sie die Besucherin zur Tür schob. Diana musste allerdings nicht erst ermutigt werden zu gehen, sondern schritt durch die Haustür hinaus, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Nachdem sie fort war, schloss Laurie die Tür und lehnte sich kurz mit dem Rücken an. Dann ließ sie den Blick durch Rachels Cottage schweifen und betrachtete die immer noch raucherfüllte Küche, in die eisig kalte Luft durchs Fenster hineinströmte, und stieß einen langen Seufzer aus.
Erst viel später, nachdem sie sich angezogen hatte, entdeckte sie die Weinflasche auf dem Küchentisch. Rachel hatte ihr dort ein Flasche Oyster Bay hingestellt, ihren Lieblingswein. Daneben lag eine getippte und laminierte »Gebrauchsanweisung« für das Cottage. Laurie las sich die handschriftliche Notiz durch, die vorne an die Gebrauchsanweisung drangeheftet war.
Herzlich willkommen bei uns zu Hause, Laurie. Ich hoffe, du genießt deinen Aufenthalt! Hier sind ein paar Hinweise, die dir dabei helfen sollen, dich einzuleben.
LG Rachel
PS : In der Vorratskammer findest du Essen für dich.
Laurie entdeckte daraufhin den kleinen Raum neben der Küche und fand dort die Pastete, die Rachel extra für sie gebacken hatte. Typisch Rachel, dachte Laurie lächelnd. Doch sosehr sie sich auch nach einer warmen Mahlzeit sehnte – Laurie traute sich nicht, den AGA noch einmal zu benutzen. Stattdessen stieß sie auf einen Küchenschrank voller Snacks, wahrscheinlich für die Kinder, und entschied sich für ein Mahl, das aus Käsecrackern, Käsekringeln und gerösteten Nüssen bestand. Schnell packte sie die Tüten und füllte sie in mehrere Schüsseln um. Dann nahm sie sich die von Rachel zusammengestellten Hinweise, ließ sich auf einem Sessel am Feuer nieder – oder vielmehr: dort, wo ein Feuer hätte lodern können, wenn sie es geschafft hätte, eines anzuzünden – und schenkte sich ein großes Glas Weißwein ein. Sie stopfte sich ein paar Käsecracker in den Mund, schlug die Anweisungen auf, blätterte über die Anleitung der Heizung hinweg und suchte nach dem Passwort für Wireless LAN . Sie hatte extra ihr iPad aus der Tasche geholt, fuhr es hoch und klickte die Seite an, über die sie Zugriff auf ihre E -Mails bei Seamless hatte.
Danny hatte ihr zwar erklärt, dass Jacques sich um ihre E -Mails kümmern würde, doch Laurie war sich ziemlich sicher, dass er wahrscheinlich Fragen über Fragen haben würde. Der arme Jacques sehnte sich bestimmt schon danach, von ihr zu hören. Sie wartete darauf, dass sich die Seite mit ihrem Maileingang aufbaute, und rechnete damit, jeden Augenblick Fragen zum Design zu erblicken, als plötzlich eine Fehlermeldung auftauchte. Die gleiche, die sie auch schon im Zug gesehen hatte: Zugriff verweigert. Sie aktualisierte die Seite und versuchte es ein weiteres Mal.
Laurie trank den letzten Schluck ihres Weißweins und aktualisierte immer wieder die Seite, bis ihr schließlich klar wurde: Danny hatte ihr den Zugang gesperrt.
Laurie schreckte auf, als es an der Haustür klopfte. Auch nachdem sie mit ein paar Gläsern Wein versucht hatte, den Schlag zu mildern, den ihr die totale Arbeitssperre versetzt hatte, hatte sie immer noch Mühe, alles zu begreifen. Sie schleppte sich zur Haustür und machte sich auf die kalte Luft gefasst, die ihr entgegenströmen würde.
»Hi, Laurie!« Aiden stand vor der Tür. Er trug Jeans und einen dunklen Mantel.
»Hallo«, erwiderte sie und fuhr sich mit der
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