Ein Kuss von dir
zog die Stille sich dahin, bis der Lakai die Suppe abtrug und die Meeresfrüchte brachte.
Lady Gertrude sagte: »Mr. Knight, Ihre Köchin ist exzellent. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so gut gegessen habe wie diese Woche.« Sie wandte sich mit einer Miene, die nach einer Erwiderung verlangte, an Eleanor. »Da stimmen Sie doch zu, Liebes?«
»Ja, und die … äh … Suppe mochte ich ganz besonders.« Eleanors Stimme verlor sich. Die Suppe war bisher schließlich der erste und einzige Gang gewesen. Lass dir ein Thema einfallen. Irgendetwas. Das Wetter. »Glauben Sie, dass sich der Nebel bis morgen hält?« So nicht .
»Das hier ist London, also, ja«, sagte Mr. Knight. »Wenn wir in Boston wären, würde ich sagen, ich rieche förmlich, dass sich ein Sturm zusammenbraut. Aber ich fürchte, in diesem neuen Land kann ich meinen Sinnen nicht trauen.«
Eleanor warf einen Blick auf sein herbes, gut aussehendes Gesicht. Sosehr sie seine Vermessenheit und seine Arroganz missbilligen wollte, er zog sie an. Hätte er Madeline den Hof gemacht, er wäre ihr aufgefallen, und der simpelste Blickkontakt hätte sie vor Aufregung beben lassen. In ihrem Kopf herrschte völlige Leere, bei all der Aufmerksamkeit, die er ihr zukommen ließ – im Glauben, sie sei Madeline. Sie schmeckte das Essen nicht. Sie schmeckte, roch und sah nur Mr. Knight.
»Ich bin sicher, Sie haben feinfühlige Sinne«, sagte Eleanor.
Sowohl Mr. Knight als auch Lady Gertrude sahen sie an.
Eleanor starrte auf ihren Teller, wo ihr ein kalter Taschenkrebs die Scheren entgegenstreckte, und ihr war, als ob auch er sie aus seinen pfefferkornartigen Knopfaugen anglotzte und sich über ihre unerhörten Plattitüden wunderte. Dann dachte sie über das nach, was sie gesagt hatte, und sank auf ihrem Stuhl zusammen. Seine Sinne? Sie hatte sich über seine Sinne geäußert?
Mit tiefer, kontrollierter Stimme, die seine Belustigung verbergen sollte, wie sie befürchtete, entgegnete er: »Ich hoffe, das Schlafzimmer ist zu Ihrer Zufriedenheit.«
Er hätte keinesfalls über ihr Schlafzimmer sprechen dürfen! Er war ihr … Madelines … Verlobter! Wer nicht verheiratet war, hatte über Schlafzimmer, Betten oder sonstige Dinge von persönlicher Natur kein Wort zu verlieren.
Aber er war der Gastgeber. Insoweit war es angemessen, dass er fragte. »Ja, es ist bezaubernd. Es …« Eleanor realisierte, dass sie Zugeständnisse machte, wo sie klar Stellung beziehen sollte. Wie Madeline es gesagt hatte. Wann immer du Zweifel hast, überlegst du einfach: Was würde Madeline jetzt tun? Und tust es. Eleanor richtete sich auf und funkelte Mr. Knight drohend an. »Es befindet sich allerdings im falschen Haus. Ich sollte im Haus meines Vaters an der Chesterfield Street sein.«
Er funkelte zurück und wartete … wartete. Die Stille zog sich dahin, lang und drückend.
Genau, wie er es vermutlich vorausgesehen hatte, brach sie ein. »Die Farben gefallen mir, wollte ich sagen. Der Kamin zieht gut. Es ist sauber … es ist sehr sauber. Es gefällt mir.« Eleanor hatte Madeline davor gewarnt, dass sie mit Männern keine Unterhaltung führen konnte. Eleanor hatte Madeline davor gewarnt, dass sie schüchtern war und schnell verzagte.
Als wäre an dieser Unterhaltung nichts Ungewöhnliches, fragte er: »Und das Dienstmädchen? Wie heißt sie noch?«
»Beth. Ihr Name ist Beth.«
»Sie hat sich mit untadeligen Referenzen hier vorgestellt. Ich hoffe, Sie nehmen sich die Freiheit, sie als Kammerzofe einzusetzen.«
»Ja, das … habe ich bereits.« Eleanor gaffte seine Hände an, während er gekonnt das ins Rot spielende Krebsfleisch aus der Schale zog. Seine Handflächen waren breit und kräftig, seine Finger lang, die Nägel perfekt manikürt. Sie mochte seine Hände. Sie wünschte, sie hätte sie nicht gemocht. Sie wünschte, er wäre ihr so gleichgültig gewesen wie jeder andere Mann zuvor. Aber Mr. Knight hatte etwas an sich, das sie ihn wahrnehmen ließ. Etwas, das sie zwang, ihn wahrzunehmen.
»Ich hoffe, sie arbeitet zu Ihrer Zufriedenheit. Falls nicht, lassen Sie es mich wissen, und ich bringe die Angelegenheit in Ordnung.«
»Ich würde Sie damit nur ungern stören.« Eleanors Stimme wurde mit jedem Wort leiser.
»Sie werden in Kürze meine Frau sein. Nichts, das ich für Sie tun kann, ist eine Störung.« Er sah ernsthaft aus. Er hörte sich ernsthaft an. Und für eine Frau, deren frühe Lebensjahre von Missachtung und Boshaftigkeit bestimmt gewesen
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