Ein Kuss zum Dessert (German Edition)
wach. Sie brauchte nur tief einzuatmen, um den Duft der Pizza zu riechen, und auch wenn der Wagen geräumig war, so fühlte sie doch die Anwesenheit von Blake, spürte die Wärme, die von seinem Körper ausging.
Angenehm, dachte sie. Es war so angenehm, dass sie zur Vorsicht oder zur Abwehr gar keine Notwendigkeit empfand. Schade, dass sie nicht einfach ohne Ziel so weiterfahren konnten …
Seltsam, nie zuvor hatte sie etwas ohne Ziel getan … Und dennoch verspürte sie jetzt den Wunsch, immer weiterzufahren … an einem endlosen, verlassenen Strand entlang, mit dem Mond, der sich im Wasser spiegelte, weißem Sand … Man würde die Wellen rauschen hören und Hunderte von Sternen sehen, die man in der Stadt nie sah, man würde die salzige Luft einatmen und warme, feuchte Luft auf der Haut fühlen.
Sie registrierte, wie der Wagen abbog und dann anhielt. Noch einen Augenblick lang hielt sie an ihrer Fantasie fest.
„Woran denkst du?“
„An den Strand“, antwortete sie. „Sterne.“ Doch dann kehrte sie mit einem Ruck in die Wirklichkeit zurück, überrascht, dass sie solch romantische Gedanken überhaupt haben konnte. „Ich nehme die Pizza“, erklärte sie und stieg aus. „Du kannst den Champagner mitbringen.“
Er legte eine Hand auf ihren Arm, als sie aussteigen wollte, und hielt sie fest. „Magst du den Strand?“, fragte er.
„Darüber habe ich eigentlich noch nie nachgedacht.“ In diesem Augenblick hätte sie am liebsten ihren Kopf an seine Schulter gelegt und mit ihm zusammen beobachtet, wie sich die Wellen am Strand brachen, hätte mit ihm zusammen die Sterne gezählt. Warum nur kamen ihr solch dumme Sachen in den Sinn, die sie noch nie getan hatte? „Mir schien aus irgendeinem Grund diese Nacht wie geschaffen für den Strand“, antwortete sie auf seine Frage und überlegte, ob sie jetzt seine Frage beantwortet hatte oder eher ihre eigene.
„Da es hier keinen Strand gibt, müssen wir uns wohl etwas anderes einfallen lassen. Wie gut ist denn deine Fantasie?“
„Passabel.“ Sehr gut sogar, dachte sie bei sich. So gut, dass ihr klar war, wie der Abend enden würde, wenn sie sich nicht zusammenriss. „Im Augenblick stelle ich mir vor, dass die Pizza kalt wird und der Champagner warm.“ Sie öffnete die Autotür und stieg mit der Pizza in der Hand aus. Im Haus lief sie dann die Treppe hinauf.
„Warum hast du dir denn die Wohnung im vierten Stock ausgesucht, wenn der Aufzug doch nie funktioniert?“, wollte er wissen.
Sie lächelte. „Mir gefällt die Aussicht und außerdem die Tatsache, dass Vertretern der Weg bis nach oben meistens zu weit ist.“ Sie zog die Schlüssel aus der Tasche.
Als June die Tür geöffnet hatte, stieg der Duft von Rosen Blake in die Nase. Ein Dutzend weißer Rosen stand in einem Korb auf dem Tisch, ein weiteres Dutzend roter Rosen in einer Sèvres-Vase auf der Anrichte. Als Blake sich umsah, entdeckte er noch ein weiteres Dutzend gelber Rosen in einem Krug und ein Dutzend rosafarbener Rosen in einer Vase aus venezianischem Glas.
„Hast du in einem Blumenladen das Sonderangebot ausgenutzt?“
June stellte die Pizza auf den Tisch. „Ich kaufe nie Blumen für mich selbst. Diese hier sind von Enrico.“
Blake holte den Champagner aus der Tüte. „Alle?“
„Er übertreibt immer ein wenig – Enrico Gravanti –, vielleicht hast du schon einmal von ihm gehört. Italienische Schuhe und Ta schen.“Er ist zweihundert Millionen Dollar schwer, dachte Blake. „Ich habe gar nicht gewusst, dass er in der Stadt ist. Er wohnt nämlich sonst immer im Cocharan-Hotel.“
„Nein, er ist in Rom“, erklärte June. „Er hat mir die Rosen geschickt, weil ich zugestimmt habe, ihm im nächsten Monat seinen Geburtstagskuchen zu machen.“
„Vier Dutzend Rosen für nur einen Kuchen?“
„Fünf Dutzend.“ June hatte Teller und Gläser geholt und stellte jetzt alles auf den Tisch. „Im Schlafzimmer steht noch ein Dutzend. Aber immerhin ist es ja auch ein Kuchen von mir.“
Blake nickte, dann öffnete er den Champagner. „Ich nehme also an, du wirst nach Italien fahren, um den Kuchen zu backen.“
„Per Luftfracht werde ich ihn wohl kaum schicken.“ Sie sah zu, wie er die goldene Flüssigkeit in die Gläser goss. „Ich werde wahrscheinlich zwei Tage in Rom sein, höchstens drei.“ Sie hob das Glas und nippte daran mit geschlossenen Augen. „Ausgezeichnet.“ Dann öffnete sie die Augen wieder. „Ich verhungere.“ Sie öffnete den Karton mit der Pizza.
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