Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
sie sich das alles ein?
    Christina bewegte sich. Vermutlich spielen die Hormone mal wieder verrückt, dachte Jill glücklich und lief über Umhlangas Hauptkreuzung, rettete sich aus der stickigen Wärme in die trockene Kühle des klimatisierten Zeitschriftenladens. Das Zeitungsregal stand neben dem Eingang. »Hallo, Lucy, lange nicht gesehen«, grüßte sie die blond gelockte Kassiererin und legte die
Daily News
auf den Verkaufstisch. »Geht es dir gut? Was machen die lieben Kleinen?«
    »Jill …!« Mit schreckgeweiteten Augen starrte Lucy sie an, der Kugelschreiber fiel ihr aus der Hand. Sofort verschwand sie unter dem Tresen, grabbelte hektisch dort herum.
    Jill lehnte sich über den Tisch, um zu sehen, was Lucy da trieb. »Sag mal, was ist hier eigentlich los? Alle sind so komisch, Tommy Miller, unser Sheriff, selbst der Oberkellner vom Oyster Box Hotel laufen vor mir weg. Hab ich die Krätze?« Sie lachte laut und drehte die Zeitung so, dass sie die Schlagzeilen lesen konnte.
    Das Lachen blieb ihr im Hals stecken, ihr Herz stolperte. Ihr Blickfeld engte sich ein, alles, was sie wahrnahm, war die Überschrift auf der Titelseite der Zeitung und eine Namensliste, die darunter gedruckt war.
    Sie las sie langsam und laut, als wäre sie des Lesens kaum mächtig. » SAA IMPALA auf dem Weg nach Kapstadt vor Durban ins Meer gestürzt. Keine Überlebenden.«
    Sie schwankte, fühlte Lucys Hand wie eine Stahlklammer auf ihrem Arm, ihre Stimme hallte in ihren Ohren, aber sie verstand die Worte nicht. Ihre Beine gaben nach, sie musste sich am Tisch festhalten. Jemand schob ihr einen Stuhl in die Kniekehlen. Sie fiel auf den Sitz, die Zeitung raschelte in ihren Händen. Mit dem Zeigefinger unterstrich sie einen Namen. »Mrs. C. Court von der Inqaba-Farm«, las sie vor. Sie starrte auf die Buchstaben, sah dann Lucy an. »Das ist meine Mutter, Carlotta Court ist meine Mutter. Wie kommt der Name meiner Mutter auf diese Liste, Lucy?«
    Lucy konnte nicht antworten. Ihr Kinn zitterte zu stark.
    »Ich muss meine Mutter anrufen, sie muss das in Ordnung bringen. Das kann doch so nicht stehen bleiben. Kann ich hier telefonieren?« Die andere Frau schob ihr schweigend das Telefon über den Tisch, und Jill wählte. Sehr langsam, denn es kostete sie eine ungeheure Anstrengung, die Scheibe des Apparats zu drehen, die vertrauten Ziffern in die richtige Reihenfolge zu bekommen. »Nelly?«, sagte sie kurz darauf. »Wo ist Mama? Ich muss sie sprechen. Nelly? Hast du gehört? Ich muss Mama sprechen …«
    Doch das Klappern des Telefonhörers, der am anderen Ende hingeworfen wurde, war das Einzige, was sie hörte, bis die Stimme ihres Vaters an ihr Ohr drang. »Kätzchen …«, sagte er und stockte.
    »Dad? Wo ist Mama?« Sie lauschte kurz und legte dann den Hörer wieder auf die Gabel, ganz sacht, während man die Stimme Phillip Courts ihren Namen rufen hörte. »Mein Telefon ist kaputt«, flüsterte sie noch. Dann war die Verbindung unterbrochen. Die Zeitung rutschte auf den Boden. Für einen endlosen Augenblick saß sie reglos auf dem Stuhl,
    »Sie ist tot. Meine Mutter ist tot«, sagte sie endlich, so laut, dass die wenigen anderen Kunden neugierig aufmerkten. Einen Augenblick herrschte tiefstes Schweigen im Laden. »Carlotta Court ist meine Mama, sie ist mit dem Flugzeug abgestürzt«, erklärte ihnen Jill, hechelte dabei wie ein verwundetes Tier. Ein Hauch von Maiglöckchenduft wehte ihr um die Nase, und eine Stimme rief ihren Namen.
    »Mama?«, wisperte sie fragend. »Mama?« Sie spähte hinaus auf das geschäftige Treiben in der sonnenüberfluteten Straße, erwartete, sie zwischen den vielen Menschen zu entdecken, aber sie suchte vergebens. »Es kann nicht sein«, sagte sie entschieden, »ich muss sie noch so vieles fragen, bisher war ich Kind, ich lerne sie doch erst jetzt als Erwachsene kennen …« Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen. Dunkelheit umfing sie.
    Dann lachte sie plötzlich auf, es klang wie ein Husten. »Welch ein Unsinn, Lucy, natürlich ist es nicht meine Mutter! Dass ich daran nicht eher gedacht habe. Sie hasst das Fliegen, weißt du, sie hat schon Höhenangst, wenn sie auf einem Pferd sitzt, außerdem tut sie keinen Schritt ohne meinen Vater. Sie ist gar nicht lebensfähig ohne ihn. Also ist es ein Irrtum, irgendein Idiot bei der Zeitung hat die Namen verwechselt. Ich werde die zur Schnecke machen.« Die Worte ihres Vaters verbannte sie aus ihrem Gedächtnis.
    Sie hob die Zeitung auf, faltete sie sorgfältig,

Weitere Kostenlose Bücher