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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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ich habe rasende Kopfschmerzen. Ich leg mich hin.«
    Es blieb ihr nichts anderes übrig, als zu warten. Um fünf erschien er, die Haare hingen ihm ungekämmt ins Gesicht, sein Hemd war völlig zerknittert. Offenbar hatte er darin geschlafen. »Kann ich was zu essen bekommen?«, fragte er, Müdigkeit machte seine Stimme rau.
    Sie bat Nelly, Brötchen aufzubacken und ein frühes Abendbrot herzurichten. Dann setzte sie sich zu ihm, und plötzlich begann er zu reden. Dabei zerkrümelte er das noch warme Brötchen zwischen den Fingern. Er sprach mit kraftloser, fadendünner Stimme, und sie hörte wie erstarrt zu, ihr Gesicht in den Händen vergraben, weil sie den Schmerz in seinen blicklosen Augen nicht mehr ertragen konnte.
    »Sie weigern sich zu zahlen«, flüsterte er schließlich, und danach senkte sich minutenlanges, bleischweres Schweigen zwischen sie.
    »Wer weigert sich, was zu zahlen?« Warum war ihre Kehle plötzlich wie zugeschwollen, waren ihre Beine so schwer? Energisch rief sie sich zur Ordnung. Sie würden ein Baby haben, was zählte da Geld?
    »Mein Honorar.«
    »King Charles? Jake? Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Das ist sicher ein Missverständnis. Red noch einmal mit ihnen, und so lange lebst du noch ein wenig länger auf meine Kosten.« Sie zwang sich zu einem Lächeln.
    »Wir … haben kein Geld mehr.« Es schien ihn alle Kraft zu kosten, die er besaß, die nächsten Worten zu formulieren. »Du auch nicht.«
    »Was bedeutet das?«, krächzte sie durch das Sandpapier, das ihre Kehle auskleidete.
    Er wandte sich ab, starrte auf seine Füße. »Wir haben alles verloren und mehr Schulden, als wir jemals abzahlen können.« Die Stille, die nach diesen Worten herrschte, war ausgefüllt mit dem Hämmern ihres Herzens und den harschen Atemzügen, mit denen Martin nach Luft rang.
    »Das ist doch völlig unmöglich.« Minutenlang blieb sie vom Schreck überwältigt stumm, ehe ihre Logik wieder Oberhand gewann. »Erstens hast du Verträge«, sie hob die Hand, zählte die Punkte an ihren Fingern ab, »zweitens, es ist alles geprüft und abgenommen worden, das hast du mir erzählt, und drittens hat dieser Schweinekerl King Charles doch seinen Anteil bekommen!« Zehn Prozent auf alle Rechnungen hatte er verlangt. Und bekommen. Dieser Gangster.
    »War ihm wohl nicht genug«, sagte Martin mit einem müden Schulterzucken, »er hat alles genommen und ist weg.«
    »Was heißt, er ist weg – wie weg?«, rief sie, ihre Stimme kletterte, ihr Gesicht wurde fleckig, während sie diese Ungeheuerlichkeit zu begreifen suchte, das, was es für ihr zukünftiges Leben bedeutete.
    »Weg wie verschwunden. Nicht mehr da«, antwortete er kurz, »hoppla über die Grenze nach irgendwo.«
    »Und was meinst du mit ›er hat alles genommen‹? Das … das Geld, auch unser Geld, das in der Vorfinanzierung steckt … und auch das, was aus Übersee kam?« Sie las die Antwort auf ihre Fragen in seinen Augen, und ihre Schultern sackten nach vorn. Er nickte nur. Zu mehr schien er nicht mehr in der Lage zu sein. »Das kann doch nicht sein, es waren Gelder aus Deutschland – eine Art Entwicklungshilfe. Passt denn da niemand auf? Wird das nicht geprüft? Man kann das doch nicht so einfach auszahlen!«
    Aber, so entnahm sie seinen nächsten, gestammelten Worten, so war es geschehen. Rechnungen waren präsentiert, Gelder gezahlt worden, und die waren im Sumpf von King Charles’ privaten Konten in Übersee versickert. Sie nahm die Glaskaraffe mit dem Orangensaft, schleuderte sie quer über die Terrasse an die Hauswand. »Scheiße!«, schrie sie. »Verdammte Scheiße!« Sie sprang auf, lief hin und her, suchte Ordnung in den Wasserfall von Gedanken zu bringen, der über sie hereinstürzte. Endlich fischte sie einen aus der Flut heraus. »Wir schleifen ihn vor den Kadi und nehmen ihm alles wieder ab – mit Zinsen …«
    »Verklagen …«, er rollte kleine Teigkugeln aus den Brötchenkrumen, reihte sie zu einer Kette auf, »… ein Phantom? Der sitzt sicher längst auf einer Südseeinsel. Außerdem kostet das Geld – allein die Anwaltskosten …«
    »Aber ich hab ja noch das Geld meiner Eltern, das sollte doch reichen? Übrigens müssen wir als Erstes die Löhne zahlen, auch wenn wir uns einschränken müssen.«
    »Wir hängen mit allem drin, was wir haben.« Seine Stimme versickerte wie Wasser im Sand.
    »Das kann nicht sein, das Geld gehört mir, es lautet auf meinen Namen«, stammelte sie.
    »Ich hatte deine Vollmacht …«
    Es

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