Ein Land, das Himmel heißt
ist seltsam, dachte sie, dass es eine Stille gibt, die in deinen Ohren dröhnt, in deinem Kopf kreischt, die so laut ist, dass man außer ihr nichts hören kann. »Alles?« Zu ihrem Erstaunen brachte sie das Wort fehlerfrei, ohne Zittern heraus.
»Fast alles.«
Und das war’s. Das Geld, das ihr Überleben für die nächsten Jahre garantieren sollte, das für die Löhne der Farmangestellten, die Erneuerung des Dachs, die Gästebungalows, ohne die sie nicht konkurrenzfähig waren, die Reparaturen an den Wasser- und Stromleitungen bereits verplant war, war einfach verschwunden. Aufgelöst wie eine Fata Morgana im Regen.
Sie musste ihre Kehle freihusten, um ihre Stimme für die nächste Frage zu stärken. »Und Inqaba, mein Land?« Ihr Blick ging von der Terrasse über die sanfte Hügellandschaft hinaus in die Weite, bis zum Horizont in der dunstigen Ferne. Über das Land, das Johann Steinach urbar gemacht hatte, das Schweiß und Blut von Generationen ihrer Familie gedüngt hatten, über Inqaba, den Ort ihrer Zuflucht. Sie beobachtete ein kurzes Aufflackern in Martins Augen, ehe sein Blick wegglitt, und fühlte einen heißen Stich im Magen. »Nicht die Farm, bitte, bitte – nicht Inqaba …«
»An die kann keiner ran«, sagte er, während er das Muster auf der Tischdecke mit dem Fingernagel nachfuhr.
Ihr Herz stolperte vor Erleichterung, sie verdrängte die Frage, woher sie das Geld nehmen sollten, die Farm zu erhalten. Das Schweigen zwischen ihnen wurde greifbar, drückte sie auseinander wie ein Keil, und langsam verwandelte sich ihr anfänglicher Schrecken in Wut. Sie brodelte in ihr hoch wie ein giftiges Gebräu. »Wie hast du das tun können? Du hattest kein Recht dazu! Warum hast du mir nichts gesagt?«, brach es endlich aus ihr hervor.
Er fuhr hoch. »Wie denn? Du warst doch überhaupt nicht ansprechbar. Außerdem weißt du doch gar nicht, was es heißt, kein Geld zu haben, du denkst doch, es bedeutet, dass du dir für ein paar Monate keine neuen Klamotten leisten kannst!«
»Das stimmt nicht!«, schrie sie, fast irrsinnig vor Wut und Angst und Empörung. »Du weißt verdammt noch mal, dass das nicht stimmt!« Ein Teller flog denselben Weg wie die Saftkaraffe, zerbarst klirrend an der Wand.
»Kannst du dir vorstellen, was es für mich hieß, jahrelang Almosen von dir, meiner Frau, annehmen zu müssen, jahrelang dem Erfolg hinterherzujagen, vor solchen Idioten wie dem Reeder zu katzbuckeln?«, seine Stimme kippte. »Ich wollte dir das Leben bieten, das du früher gewohnt warst, ich wollte dich auf Händen tragen, alles Böse von dir fern halten. Nach allem, was du in den vergangenen Jahren durchgemacht hast, wollte ich dir das Glück in den Schoß legen, träumte davon, dass wir dann wieder ein Baby haben würden. Aber der Erfolg blieb aus, und nicht weil meine Entwürfe schlecht waren, sondern weil niemand mehr hier investieren will. Ich war verzweifelt, meine Selbstachtung in Scherben, und dann kam Jake, und plötzlich fiel die Mauer, gegen die ich seit Jahren angerannt war, und ich konnte meine Zukunft sehen, unsere Zukunft. Der Ausblick hat mich völlig geblendet, ich habe mit beiden Händen zugegriffen, und als ich merkte, dass etwas schief läuft, hing ich schon viel zu weit mit drin. Von da an habe ich nur noch versucht zu retten, was noch zu retten war, irgendwie die Sache umzudrehen, all das von dir wegzuhalten. Ich hoffte, mich allein aus diesem Schlamassel befreien zu können.« Er atmete stoßweise, die Haare hingen ihm ins Gesicht, das jetzt bar jeder Maske war. »Ich liebe dich, alles, was ich will, was ich je wollte, ist, dich glücklich zu machen … .« Eine Träne rollte langsam über seine Wange. Er wischte sie nicht weg.
Vor ihrem inneren Auge brach ihre gesamte Welt zusammen, für Momente wurde ihre Liebe zu ihm darunter begraben, und sie machte den Fehler, den sie sich ihr Leben lang nicht verzeihen sollte. »Hör auf, Krokodilstränen zu heulen«, fuhr sie ihn an, »ich glaube dir kein Wort, du hast mich betrogen. Du hast einfach über meine Zukunft entschieden und sie zerstört. Du hast mich behandelt wie ein unmündiges Kind, du kannst mich nicht lieben … ich hasse dich …«
Er fuhr hoch, duckte sich wie vor einem Schlag, sein Stuhl kippte hintenüber. »Ich kann nicht mehr, ich muss jetzt allein sein …«, stammelte er, stürmte von der Terrasse, zuckte zusammen, als das Salzfass neben ihm an der Mauer zersplitterte, stieß die Fliegentür auf, stürzte ins Haus und
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