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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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sind, auch wenn sie Valentino tragen. So, und was ist das jetzt für eine merkwürdige Sache mit diesem Brief?« Sie setzte sich ihre Lesebrille auf, zog das Papier zu sich heran, drehte es rechts herum und links herum, hielt es ans Licht. »Über Kreuz, meine Güte, wie interessant. Sieh einer an, die zarte Catherine! So ein sanftes Täubchen, wie es die Familienlegenden erzählen, war sie offensichtlich nicht … ich möchte wissen, woher sie diesen Konstantin kannte … ich denke, ich werde mal ein bisschen nachgraben … irgendetwas stimmt hier nicht … oh ja …« Sie versank in der Lektüre des Briefes.
    »Ich geh ins Bett. Morgen wird ein harter Tag.« Jill stand auf und küsste sie auf die Wangen. Ihre Tante nickte abwesend und las weiter. Morgen sollte Martin beerdigt werden. Man hatte seine Leiche obduziert, und erst vor zwei Tagen war diese zur Bestattung freigegeben worden.
    »Hast du von deinem Vater gehört? Wann kommt er?« Irma senkte den Brief, sah sie über den Brillenrand an.
    Jill brachte es fertig, ein Aufschluchzen zu unterdrücken. »Er kommt nicht zur Beerdigung.« Sie spürte Irmas prüfenden Blick von der Seite, wartete auf die logische Frage nach dem Warum. Doch Irma stellte diese Frage nicht, schonte sie, und sie war ihr zutiefst dankbar dafür, so brauchte sie sich selbst nicht damit auseinander zu setzen. Kurz bevor sie einschlief, überfiel sie die Gewissheit, dass Leon und der Brief Catherines ihr und Inqabas Schicksal entscheiden würden. Es wurde eine unruhige, von dunklen Träumen begleitete Nacht, und sie endete früh, noch vor Anbruch des Morgens.
    *
    Nach der Beerdigung, als die Farmarbeiter in ihr Dorf zurückgegangen waren, sich die Menge verlaufen, die Freunde zurückgezogen hatten, blieb Jill noch eine Weile allein am Grab. Sie schlüpfte aus ihren schwarzen Schuhen, schlug den schwarzen Schleier hoch, der während der Beisetzung ihr Gesicht verborgen hatte, und setzte sich auf die Bank unter dem Tibouchina, den sie für Christina gepflanzt hatte.
    Die Zweige warfen sonnenflirrenden Schatten auf Martins Grab, die ersten Blütentrauben zeigten ihre rosa Spitzen, überall schimmerte frisches Grün. Auch der alte Tulpenbaum trieb aus. Das Holz der Bank, glatt poliert und seidig, hatte die Wärme der Septembersonne gespeichert, und die rote Erde unter ihren nackten Füßen war weich und durchlässig vom letzten Regen. Inqaba verkaufen? Wie könnte sie das je?
    Die Mauern, in deren Schutz sie aufgewachsen war, die alles Böse ausperrten, ihr Zuhause, ihre Eltern, Martin und das Geld, waren eine nach der anderen weggebrochen. Nackt und allein, so stand sie da. Wie neugeboren in einer feindlichen Umwelt. Niemand war da, der sie laufen lehrte, sie schützte, wenn Gefahr drohte. Zum ersten Mal war sie nur auf sich angewiesen. Eine gewisse klinische Neugier regte sich in ihr. Zum ersten Mal würde sie herausfinden, wer sie wirklich war. Flüchtig fragte sie sich, ob die Begegnung mit sich selbst eine erträgliche werden würde.
    Versunken sah sie einem Nektarvogel zu, der, um die Blüten der Hibiskusbüsche schwirrend, den Honigtau aus ihren Kelchen trank. Ihr Herz sprang, als sie ihn erkannte. Sein Kopf schillerte grün, die Brust glühte in Scharlachrot. Der Scharlachbrust-Nektarvogel. Aufgeregt beugte sie sich vor. Es war ein Weibchen, und dort, auf dem höchsten Ast des Tibouchinas, funkelte das Männchen. Ein Pärchen dieser noch nie in Südafrika gesichteten Vögel hatte sich auf Inqaba eingenistet. Die Juwelen für ihren Garten der Vögel.
    Ein Anfang. Ganz sicher, ein Anfang. Gedanklich schob sie ihre Doktorarbeit beiseite. Sie war nicht mehr wichtig. Nur noch Inqaba und die Zukunft zählten.
    *
    Am nächsten Tag, dem Tag nach der Beerdigung, rief Jill ihre Freunde an und bat sie, zu kommen. Sie brauchte ihren Rat. Die Farringtons und Konnings kamen, und Jill legte ihnen dar, wie sie sich die Zukunft vorstellte. »Wenn ich Inqaba erhalten will, brauche ich Leute. Die aber kann ich nicht bezahlen, also habe ich mir Folgendes ausgedacht.« Sie sprach für eine geschlagenen halbe Stunde, ohne dass sie einer der Freunde unterbrach. »Was haltet ihr davon?« Mit dieser Frage beendete sie ihren Vortrag.
    »Lass es mich mal zusammenfassen«, sagte Alastair und faltete seine langen, sommersprossigen Hände, »du willst einen Teil des Lohns für deine Arbeiter in Anteilen an der Farm bezahlen?«
    Jill nickte.
    Alastair kniff die hellen Augen zusammen, tippte ein paar Zahlen in

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