Ein Land, das Himmel heißt
Strategie.«
Die Männer kehrten mit den Stühlen zurück, und sie nahmen in einiger Entfernung Ben Dlamini gegenüber Platz. Ben, der Ben, der sonst im blauen Overall eines Arbeiters herumlief, der die Straßen reparierte und in den Ananasfeldern schuftete, dieser Ben hatte die Insignien seiner Häuptlingswürde angelegt. Kragen und Kopfband aus dem Schwanz des Leoparden, Kuhschwänze, die um die Ellbogen und am Gürtel befestigt waren und über seine Oberschenkel hingen. Perlenketten lagen um seinen Hals, die seinen Rang bezeichneten. In der Faust hielt er den Isagila, den Stock mit der schweren Kugel, der aus einem Stück aus dem Baum des schlafenden Büffels geschnitzt wird. Sie sah einen stolzen Zulu vor sich, Oberhaupt aller Menschen seiner Hautfarbe der Umgebung, Stockkämpfer von großem Ruf, Beschützer seiner Leute. Benjamin Sibusiso Dlamini.
Neben Ben stand sein Iphoyisa. Eigentlich wird das Wort mit Polizist übersetzt, aber Jill wusste, dass ein solcher Mann mehr ein Leibwächter und Mittelsmann zwischen den Bittstellern und dem Häuptling war, aber sie wusste auch, dass hoch gestellte Persönlichkeiten direkt mit dem Häuptling sprachen, vor allen Dingen, wenn es sich dabei, wie hier bei Ben, um einen eher unbedeutenden Häuptling handelte. Verstohlen lächelte sie in sich hinein. Ben war trickreich wie Imfene, der Pavian. »Sakubona, Häuptling«, grüßte sie ihn, »ich bin gekommen, um mit meinen Freunden zu reden.«
Für gut zwanzig Minuten tauschten sie Höflichkeiten aus, erkundigten sich nach der Familie, der engeren und der weiteren, besprachen das Wetter, die Ernte, die Heuschrecken, die über die Felder hergefallen waren, und dass Oskar wieder ausgebrochen war. Erst dann kam Jill zur Sache. »Ein großes Unglück ist über Inqaba hereingebrochen, der Mann meines Hauses ist tot …«
»Yebo«, murmelten alle Anwesenden, »er ist tot – mögen die Amadlozi ihm wohl gesinnt sein …«
»Die Ernte war schlecht«, fuhr sie mit erhobener Stimme fort, »und durch böse Mächte hat meine Familie ihr Geld verloren.« Böse Mächte. Genauso war es gewesen. Sie war zufrieden mit ihrer Wortwahl. »Wir werden Inqaba verlieren …«
Nun sprangen einige der Männer auf, schüttelten ihre Kampfstöcke, die Frauen schnatterten aufgeregt durcheinander. Ben hob seine Hand, und schlagartig kehrte Ruhe ein. »Ich habe den Bruder des Masters gesehen …?«
Sie nickte. Bei den Zulus übernahm nach dem Tode eines Mannes automatisch dessen Bruder den gesamten Haushalt und manchmal auch die Frau. »Der Häuptling hat richtig gesehen«, unbewusst passte sie ihre Ausdrucksweise seiner an, »der Bruder meines Mannes will, dass ich die Farm verkaufe, aber …«, sie hielt ihre Hand hoch, um sich Gehör zu verschaffen, »… aber in unserer Kultur ist das anders. Mir gehört die Farm, und kein anderer darf darüber bestimmen.«
»So ist es!«, rief Alastair, genau im richtigen Moment. »Du machst das ganz prima«, flüsterte er ihr aus dem Mundwinkel zu.
Sie holte tief Luft, ehe sie weiterredete. Jetzt ging es um die Wurst. »Ich habe dem Häuptling einen Vorschlag zu machen. Ich werde keinen entlassen, alle können hier weiterarbeiten …«
»Yebo«, riefen die Männer, »yebo!« Ein paar Frauen trillerten und schrien ein triumphierendes »Aiihh!«.
»Ich werde euch die Hälfte eures Lohns in bar auszahlen, wie immer, für die andere Hälfte gebe ich euch ein Stückchen von dem Land, auf dem ihr eure Hütten gebaut habt, so dass …«, wieder hob sie die Hand, um Ruhe zu schaffen, »… so dass ihr nach einer bestimmten Zeit Besitzer der Grundstücke seid. Danach habt ihr die Möglichkeit, auf die gleiche Art und Weise die Felder, die um euer Dorf herum liegen, auch zu erwerben.«
Jetzt herrschte absolute Stille. Ben Dlamini hatte sich vorgebeugt, ihr angespannt zugehört. Hier und da entdeckte sie den Ausdruck tiefsten Misstrauens auf den dunklen Gesichtern. Das war zu erwarten gewesen und verständlich. Die Geschichte der Zulus und der Weißen, die ihr Land besiedelten, war von Verrat, Betrug und Raffgier geprägt. Erst nach einiger Zeit würden Ben und seine Leute erkennen, dass sie es wirklich ehrlich mit ihnen meinte. »Dieses Land«, rief sie, »dieses Land wird den dritten Teil von Inqaba ausmachen. Ihr werdet reiche Weidegründe für euer Vieh haben, es wird fett werden, und die Kühe werden viele Kälber werfen. Ihr werdet bedeutende Männer sein, man wird in den Umuzis mit Respekt von euch
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