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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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bereute sie es zutiefst, die beiden Männer in ihr Haus eingeladen und ihre Zustimmung zu diesem Bericht gegeben zu haben. Nils Rogge zog seinen Hut, schleuderte ihn auf den Rücksitz und kratzte sich am Kopf. Er hatte kurz geschorene, von der Sonne gebleichte, dunkelblonde Haare, so kurz, dass sie wie ein Pelz wirkten. »Ist ja wie ’ne Sauna hier, fast wie im Kongo …«, knurrte er.
    Sie drehte die Klimaanlage auf Anschlag. »Kongo? Sie sind also häufiger in Afrika?«
    »Hmm.«
    »Nur in Zentralafrika? Sie sagen, Sie kämen aus dem Kongo.« Meine Güte, war der zäh. Wie Pizzateig. Sie bog auf den North Coast Highway ein.
    »Hmm.«
    »Waren Sie auch schon in Natal?«
    »Hmhm.«
    »Durban. Einen Tag«, murmelte Axel Hopper.
    Sie gab auf. Kurz hinter dem Einkaufszentrum La Lucia Mall bog sie nach La Lucia ab, um ihren Gästen einen der schönsten Vororte Durbans vorzuführen.
    »Stopp! Anhalten!«, rief Nils Rogge auf einmal, und sie stieg vor Schreck derartig brutal in die Bremsen, dass sie sich fast den Kopf am Steuerrad stieß. »Axel, geh raus und nimm das auf!«, Nils deutete auf ein Schild, das am Straßenrand auf der breiten, gepflegten Grasnarbe vor den tropischen Gärten luxuriöser Häuser stand.
    »Beware«, las Axel laut, »Monkeys crossing. Vorsicht, Affen überqueren die Straße«, übersetzte er und lachte los. Unmittelbar neben dem Schild rupfte ein Schwarzer in blauem Overall Unkraut. Axels braune Augen tanzten, er lehnte sich weit aus dem Fenster und begann zu filmen.
    Jill, die sofort erkannte, was die Journalisten an diesem Bild so reizte, fuhr hoch. »Das können Sie nicht aufnehmen, das ist würdelos. Sie sind ein verdammter Rassist«, fauchte sie und trat aufs Gas. Axel Hopper, immer noch mit seiner Kamera halb draußen hängend, schrie empört auf, drehte aber weiter. Es war ihr egal. Kein Fernsehjournalist würde mit einem solchen Bild nach Hause fahren, wenn sie es verhindern konnte.
    »Das Schild ist da, der Mann ist da, es ist Fakt. Kapieren Sie das nicht?« Nils Rogge klang eher belustigt. »Und über Fakten zu berichten ist unsere Aufgabe. Ein Rassist ist nur, wer die Verbindung zwischen beiden zieht.«
    Der Seitenhieb stach wie eine bösartige Wespe, aber wohlweislich reagierte sie nicht darauf. Sie hatte keine Lust, mit Nils Rogge eine Schlammschlacht auszutragen. Seine Stimme war ruhig, fast milde gewesen, aber ein rascher Blick in seine gletscherblauen Augen zeigte ihr, dass der »verdammte Rassist« ihn getroffen hatte und er richtig wütend war. Das, merkwürdigerweise, stimmte sie fröhlich. »The winner takes it all«, summte sie den Hit von ABBA vor sich hin, aber laut genug, dass er es hören musste, »and the loser has to fall …« Die Sache begann, ihr Spaß zu bringen. Bei der nächsten Gelegenheit fuhr sie zurück auf den Highway, und eine Stunde später öffnete sich das Tor von Inqaba für sie.
    Irma erschien im Eingang und begrüßte die Gäste. Hinter Nils Rogges breitem Rücken verdrehte Jill die Augen, um Irma zu signalisieren, was sie über die beiden Männer dachte. Irma richtete sich daraufhin kerzengerade zu ihrer vollen Größe von einsvierundsiebzig auf und schaute hoheitsvoll drein, ein Trick, den sie immer benutzte, um ihr Gegenüber einzuschüchtern. Dieser Effekt wurde nur durch die Tatsache zerstört, dass sie ihren Kopf in den Nacken legen musste, um Nils Rogge in die Augen zu sehen.
    Es war kurz nach zwölf Uhr, und nachdem die Journalisten ausgepackt hatten, servierte Jill ihnen einen leichten Lunch. »Zwei unserer Gäste sind einen Tag zu früh gekommen und würden gern eine Rundfahrt durch den Park machen. Möchten Sie sich uns anschließen?«
    Rainer Krusen kam eben auf die Terrasse, blinzelte durch seine Brille. »Wir haben in Ihrem Prospekt gelesen, dass das Ungewöhnliche an Inqaba die Tatsache ist, dass wir ungefährdet zu Fuß gehen können – wir würden gern einen Rundgang machen. Wir versprechen uns davon ein ganz besonderes Erlebnis, so nahe der Natur zu sein, den Tieren in ihrer eigenen Umgebung entgegenzutreten …«, schwärmerisch seufzend hob er die Hände, » …die kleinen Dramen am Wegesrand zu beobachten, die man sonst übersieht – Käfer, Schmetterlinge, Vögel …«
    »Gibt’s hier Schlangen?«, unterbrach ihn seine Frau, die ihm auf die Terrasse gefolgt war.
    Jill nickte, fasziniert von der Tiefe von Herrn Krusens Empfindungen. »Ja, viele, aber die meisten sind ziemlich scheu und flüchten, sobald sie die

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