Ein Land, das Himmel heißt
eröffnen können.
»Okay«, bestätigte Musa, wuchtete einen weiteren Sack auf seinen Rücken, der wie geöltes Ebenholz glänzte, und grinste mit blitzenden Zähnen unter seinem Schlapphut hervor. Es war leicht zu verstehen, warum die jungen Mädchen des Dorfes sich aufputzten, wenn sie ihn trafen.
Eine Frauenstimme rief ihren Namen. Sie seufzte auf. Iris Krusen schien zu den fanatischen Frühaufstehern zu gehören. Noch vor ihrem ersten Kaffee sollte sie nun ihren ungewohnten Pflichten als Gastgeberin nachkommen. Am besten gewöhnte sie sich gleich daran. Sie setzte ein Lächeln auf. »Guten Morgen«, grüßte sie die Deutsche, die winkend vor ihrem Bungalow stand, der rechts vom Haupthaus lag.
»Guten Morgen«, hauchte diese leidend und betupfte ihre knallrot gebrannte Haut auf Nase, Armen und Ausschnitt mit weißer Creme. »Ich hab überhaupt nicht gewusst, dass die Sonne so schlimm hier ist«, klagte sie, »viel schlimmer als auf Mallorca. Das ist eine Insel im Mittelmeer«, setzte sie erklärend hinzu, »und da knallt die Sonne auch ganz schön.«
»Um diese Zeit steht sie hier fast senkrecht, und die UV -Strahlung ist ausgesprochen gefährlich. Sie sollten für zwei Tage lange Ärmel und lange Hosen tragen, sonst gibt’s nässende Blasen, und eine Creme mit einem hohen Lichtschutzfaktor auftragen. Nicht unter 25«, warnte Jill, »außerdem wäre es gut, wenn Sie täglich eine Vitamin-A-Pille nehmen, solange Sie hier sind. Wir haben welche da. Ich werde Bongi damit zu Ihnen schicken.« Sie ging in die Küche. Trotz des frühen Morgens schlug ihr feuchtwarmer Dunst entgegen, vermischt mit dem Duft frisch gebackenen Brotes und, äußerst anregend auf ihre Lebensgeister, dem frisch aufgebrühten Kaffees. Nelly litt trotz ihrer kräftigen Statur unter zu niedrigem Blutdruck und trank jeden Morgen eine Kanne Kaffee, um auf die Beine zu kommen. »Morgen, Nelly!«, sie warf ihr Schlüsselbund auf den Tisch. »Hast du die Hadidahs gehört? Ich knall sie ab, wenn die mich noch mal wecken. Bekomme ich eine Tasse von deinem Kaffee?«
»Auf dem Tisch«, brummte Nelly. Sie presste ihre Hand auf den Rücken, ehe sie sich zum Ofen bückte und das Blech mit frischen Brötchen herauszog. »Mehl und Butter ist alle, und der Herd will nicht, wie ich will, er wird zu heiß. Wir brauchen den Elektriker.«
Jill unterdrückte einen Seufzer. Sie hörte Mehl, Butter und Elektriker, aber sie verstand nur Kosten, Kosten, Kosten. »Mehl und Butter bringe ich mit, den Elektriker rufe ich gleich an«, sagte sie. »Tut dein Rücken wieder so weh?« Liebevoll rieb sie der Zulu über die schmerzende Stelle.
»Yebo«, brummte die alte Frau, »das Gewicht des Lebens drückt auf meine Schultern. Ich bin nicht mehr kräftig genug, um es zu tragen. Es schmerzt und macht mich müde. Ich möchte mich in meinem Khaya ausruhen.«
Wie eiskalte Finger lief es Jill über den Rücken. Das klang, als wollte Nelly nun endgültig bei ihr aufhören. Wie sollte sie ihr neues Leben ohne Nelly schaffen? Niemand kochte und buk so gut wie sie, keiner konnte ein leckereres Frühstück auf den Tisch bringen. Sie war, wie Jill sich eingestehen musste, das warme Herz Inqabas, ganz und gar unersetzlich. Schweigend frühstückte sie, und noch immer nachdenklich stieg sie in ihren Geländewagen, schaltete die Klimaanlage auf Tiefkühltemperatur und fuhr los. Sie erreichte den Flughafen gerade rechtzeitig, fand sogar einen Parkplatz im Schatten. Energisch bahnte sie sich einen Weg durch den Passagierstrom, der sich aus der Ankunftshalle ergoss, und stand unmittelbar vor der Absperrung, als die ersten Fluggäste durch die Schwingtüren kamen.
Ohne vorher ein Bild von ihm gesehen zu haben, wusste sie sofort, dass er es war. Er überragte alle anderen um Kopfeslänge und trug einen Presseausweis an einer Schnur um den Hals. Das Handy am Ohr, den Safarihut ins Gesicht gedrückt, pflügte er rücksichtslos durch die Menschenmenge und benutzte seine große, über die Schulter gehängte Reisetasche als Rammbock. Sie hielt das Schild mit dem Namen Inqaba hoch, und er blieb vor ihr stehen, nickte, während er weiter im Stakkatotonfall in sein Handy sprach.
»Hast du sie gesehen?«, fragte sein Begleiter, ein mittelgroßer, kräftig wirkender Mann mit kurz geschorenen, dunklen Locken, »sie ist doch vor uns ausgestiegen, sie muss doch hier noch irgendwo sein?« Er drehte sich um die eigene Achse, musterte die Menge suchend, langte dabei in seine Tasche und brachte eine
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