Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
magischen Kreis verletzt? Natürlich. Sie war eine Frau und hatte ihn mit einer Waffe bedroht und ihn zum Nachgeben gezwungen. Einen machtbewussten Mann wie Len Pienaar musste das zutiefst verletzen, seinen Stolz aufstacheln.
    »Du musst lernen, zu denken wie eine Schlange«, hatte Ben gesagt, »dann weißt du schon vorher, was sie tun wird, und sie wird dich nie erwischen.«
    Sie bückte sich und hob das Gewehr auf. Der Kolben war schweißnass von ihren Händen, und sie wischte ihn ab. Leon und Len. Popi? Waren sie ihre Nemesis? Musste sie, Jill, allein die Rechnung zahlen für die Jahre, die ihre Familie als Weiße von einem schwarzen Land gelebt hatte? Eine Bewegung am Küchenfenster ihres alten Bungalows, in dem Nils Rogge und Axel Hopper wohnten, lenkte sie ab. War sie beobachtet worden? Sie sah schärfer hin. Aber alles schien ruhig. Sie musste sich geirrt haben. Sie verschloss das Gewehr sorgfältig im Gewehrschrank und ging in ihr Zimmer, um sich für den Empfang zurechtzumachen. Während sie ihr verschwitztes Oberteil über den Kopf zog, überlegte sie ihre nächsten Schritte.
    Was würde Len Pienaar jetzt unternehmen? Sie machte sich nichts vor. Für ihn war das jetzt nicht mehr die Sache seines Freundes Leon, jetzt würde es ihm persönlich um sie gehen. Wie immer, wenn sie Hilfe brauchte, fiel ihr als Erstes Neil Robertson ein. Vielleicht wusste der einen Weg, Ein-Arm-Len aus dem Weg zu räumen. Offenbar wollte der die Tatsache, dass er jetzt in Zululand lebte und eine eigene Sicherheitstruppe führte, nicht an die große Glocke hängen. Es war möglich, dass Neil die Leute kannte, die an dem ehemaligen Vuurplaas-Killer interessiert waren.
    Auch Leon hasste sie, würde nie lockerlassen, also blieb ihr nichts anderes übrig, als ihn ernst zu nehmen und ihrerseits Recherchen anzustellen, was es mit diesem Brief von Catherine Steinach auf sich hatte. Neil hatte sich noch nicht wegen des Artikels gemeldet, den er in den alten Zeitungen entdeckt hatte. Heute Abend würde sie ihn fragen, wie weit seine Computerwhizzkids den Bericht zusammengestückelt hatten. Vielleicht konnte man schon schlau daraus werden. Leon und Len. Im Moment schien sie ein bemerkenswertes Talent zu entwickeln, sich Feinde zu machen. »Scheißkerle«, sagte sie laut zu ihrem Spiegelbild. Sie sah sich mitten im Zimmer stehen, nur mit einem knappen Slip bekleidet, die Arme verschränkt, das Kinn vorgeschoben, die Brauen zusammengezogen. Und dann musste sie lachen, erinnerte sich an Len Pienaars wütendes Gesicht und lachte lauter. »Ich kann weiter als ihr«, schrie sie in den leeren Raum, schlüpfte aus ihrem Slip und stellte sich unter die Dusche. »The winner takes it all, the loser standing small«, sang sie lauthals unter dem lauwarmen Wasserstrahl. Danach fühlte sie sich ganz wunderbar.
    Der 25. Januar 1998 würde der Beginn ihres neuen Lebens werden.
    *
    Noch bevor die ersten Gäste erschienen, entdeckte sie die gesamte Jugend ihres Farmarbeiterdorfes, die sich im Hintergrund herumdrückte. Ihre Absicht wurde schnell klar. Als das erste Auto mit Angelica und Alastair vorfuhr, sprangen zwei der jungen Zulus vor und rissen die Tür auf. Grinsend nahmen sie dann das Trinkgeld in Empfang, das Alastair ihnen zusteckte. Sie seufzte. Es hatte keinen Sinn, sie zu verjagen. Es würde ihr nicht gelingen. »Nur zwei Mann pro Auto und keine Prügeleien um das Geld, verstanden?«, warnte sie Thobani, der ihr der Anführer zu sein schien. »Helft den Damen beim Aussteigen«, rief sie ihm nach, als er dem nächsten Auto entgegenrannte.
    »Was machen all diese Eingeborenen hier?«, fragte eine zitternde Stimme, betonte das Wort »Eingeborene« auf besondere Art.
    Sie drehte sich um, wollte eine kühle Antwort geben, ihre Zulujungs verteidigen, als sie Joyce Kent erkannte. Im Gesicht der Frau stand panische Angst. Jills Blick glitt zu Peter Kent, sie bemerkte die scharfen Linien, die wie Schnitte rechts und links neben seinem Mund saßen, die weißen Knöchel seiner Hände, mit denen er die Armlehnen seines Rollstuhls umklammerte, und schlagartig wurde ihr die ganze Tragik dieses sympathischen Ehepaares klar, verstand sie den Hintergrund der Frage.
    Joyce hatte ihre Reaktion offensichtlich bemerkt. Sie holte tief Luft. »Wir wohnten damals noch in Johannesburg und kamen abends nach Hause«, sagte sie leise, »es war nicht einmal spät. Sie warteten in der Garage«, ihr Gesichtsausdruck, ihre Stimme waren wie tot, »einer hatte ein Messer, der

Weitere Kostenlose Bücher