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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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von der Landkommission registriert worden.« Das hatte Irma recherchiert.
    »Ach ja? Nun, Leon bestreitet, dass Johann Steinach dieses Land rechtmäßig von seinem Vorfahren erworben hat. Um es verständlicher auszudrücken, Jill, wir glauben, dass er Konstantin von Bernitt ermordet hat, um an sein Land zu kommen. Wir sind dabei, die alten Unterlagen zu durchforsten. Ich bin sicher, wir werden die Wahrheit finden.«
    Ein Schweißausbruch durchtränkte ihr weißes Baumwolloberteil und die Shorts, in ihrem Kopf entstand prickelnde Leere, als ihr das Blut in die Beine sackte. Durchatmen, befahl sie sich, zwang sich, ihm ins Gesicht zu sehen, obwohl schwarze Punkte vor ihren Augen tanzten und ihr die Sicht verwischten. Langsam atmete sie ein, hielt die Luft an, spürte, wie ihr Blut wieder zu kreisen begann, die schwarzen Punkte verschwanden. Die Panik ebbte ab. Sie musterte ihn. Breitbeinig baute er sich vor ihr auf, selbstsicher, grinsend, Machtbewusstsein und männlichen Überlegenheitswahn verströmend. Seine Hand lag auf der Waffe, die er im Gürtel trug, aber das schien nur eine Demonstration zu sein, nicht die Ankündigung einer Aktion. Ihr Blick flog über den Platz vor dem Haus. Er war leer, kein Mensch zu sehen. Nicht einmal Irma, und Dabulamanzi-John und Musa hatten sich in Luft aufgelöst.
    Früher wäre ihr Vater jetzt zur Stelle gewesen, Martin, Harry, ganz früher auch noch Tommy. Jetzt stand nur sie hier, ganz allein, und drohte wie ein junger Baum, seiner Stütze beraubt, im Sturm zu brechen. Sie holte Luft, wollte um Hilfe schreien, doch dann hielt sie inne. Wer würde schon kommen? Irma? Die hatte sich hingelegt und die Ohren mit Oropax verstopft. Die Zulus wiederum hatten ein feines Gespür für brenzlige Situationen und einen starken Selbsterhaltungstrieb. Keiner der Farmarbeiter, nicht einmal Ben, würde ihr zu Hilfe kommen.
    Das hier musste sie allein erledigen. Trotzig warf sie den Kopf zurück. Sie würde mit eigener Kraft aus diesem Schlamassel herauskommen, und dann würde sie wissen, dass sie die Zukunft nicht zu fürchten brauchte. Kein Sturm würde sie dann mehr umwerfen können. Sie tat, was ihr Vater getan hätte. Wortlos drehte sie sich um, ging in sein Arbeitszimmer, das jetzt ihr Büro war, öffnete mit einem Schlüssel, den sie an einem Bund trug, den Gewehrschrank und nahm das halbautomatische Gewehr heraus, das er sie schießen gelehrt hatte. Dann ging sie durch die Halle zurück und trat vors Haus. Sie schwitzte nicht mehr. Ruhe, die kühl war und trocken, senkte sich über sie, machte ihren Blick klar und die Hand sicher.
    Len Pienaar wandte ihr den Rücken zu, sprach dabei in sein Handy. Mit lautem Ratschen lud sie die Waffe durch, und er wirbelte herum. Erstaunlich, wie schnell der sich bewegen kann, obwohl er so dick ist, fuhr es ihr durch den Kopf, während sie ihn übers Visier betrachtete, seine ungläubig starrenden kleinen Augen, die rötliche Haut mit den vielen Pigmentflecken, diesen grässlichen, schmallippigen Schlitz von einem Mund.
    Len Pienaar hielt ihren Blick fest, ließ das Handy fallen und griff zu seiner Waffe.
    »Finger weg«, sagte sie scharf, bevor seine Hand auch nur das Halfter berührte, »ins Auto und dann raus!« Kimme und Korn ihres Gewehres zielten genau zwischen seine Augen. Sie musste an Irma denken und hätte fast gekichert. Die Steinachfrauen hatten doch was los!
    Langsam verfärbte sich die sommersprossige Haut des Mannes von rötlich zu dunkelrot, seine Brauen sträubten sich, die Muskeln am Hals schwollen an.
    Wenn er jetzt den Kopf senkt, greift er an wie Oskar, dachte sie, und dann muss ich schießen, und das will ich nicht. Ich weiß gar nicht, ob ich das kann, einfach so, auf einen Menschen. Sie stellte sich vor, dass sie jetzt den Abzug durchziehen würde. Sein Kopf würde zerplatzen wie eine Wassermelone, es würde Hirn, Blut und Fleischfetzen regnen. Prompt wurde ihr schlecht, und ihr war vollkommen klar, dass sie den Abzug nie durchziehen würde. Len Pienaar erschien ihr, wie er dastand, breitbeinig, lauernd, noch größer und bulliger als vorher, und auf einmal fühlte sie sich in ihr Zoologiestudium zurückversetzt, Lektion über das Verhalten von Revierrivalen. Prahlen, aufschneiden, aufblasen. Meiner ist größer als deiner, und ich kann weiter als du. Wie die kleinen Jungs.
    Einen Versuch war es wert. »Ich kann einer Fliege das Auge rausschießen«, sagte sie, »freihändig. Hat mich mein Vater gelehrt. Also tun Sie genau das, was

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