Ein Land, das Himmel heißt
andere eine Pistole.« Sie schob den Ärmel ihres langen Kleides hoch, und Jill sah, welche Schaden das Pistolengeschoss angerichtet hatte.
Sie legte Joyce einen Arm um die Schulter. »Sie brauchen keine Angst zu haben. Es sind die Kinder unserer Arbeiter, hier auf der Farm geboren wie ich, und ich kenne sie seit ihrer Geburt. Hier sind Sie sicher.« Sie spürte, wie Joyce sich etwas entspannte, doch ihre Hand blieb zur Faust geballt, ihr Kinn zitterte. Sie tat Jill unendlich Leid. Schnell drückte sie die andere Frau an sich. »Es wird vorbeigehen, glauben Sie mir«, flüsterte sie ihr zu.
Joyce nickte und schob Peter ins Haus.
Zwei Stunden später schaute Jill glücklich auf die überfüllte Terrasse, die von einem riesigen, an drei Seiten geöffneten Zelt geschützt wurde. Der Wetterbericht war nicht sehr ermutigend gewesen. Es war Gewitter vorausgesagt worden. Der Geräuschpegel schmerzte in den Ohren, das Gedränge war so dicht, dass sie kaum ihre Runde machen konnte, aber sie war euphorisch. Alle waren gekommen. Der Rundgang und ihr Vortrag waren mit viel Beifall quittiert worden, Ellen und Nelly hatten sich selbst übertroffen, und der Vorstand der Gesellschaft für Vogelkunde, die von Anfang an ihr Projekt unterstützt hatte, präsentierte ihr ein riesiges Poster mit allen Vögeln, die auf dem Gebiet von Inqaba lebten. In der Mitte, wie ein Juwel leuchtend, der Scharlachbrust-Nektarvogel.
Im Gedränge fiel ihr Yasmin auf, die neben Axel Hopper stand. Ihr hautenges, langes weißes Kleid ließ ihre Mitte frei. Ein Diamant funkelte in ihrem gepiercten Bauchnabel. Männer umschwirrten sie wie Motten das Licht. Axel, sehr gut aussehend in schwarzem T-Shirt und schwarzem Leinenblazer, machte jedoch deutlich, dass er sie als seine Eroberung betrachtete. Mit seinem breiten Rücken drängte er alle Konkurrenten ab. Yasmin ließ es geschehen, lächelte schläfrig und nippte am Champagnerglas.
Nach über einer Stunde, in der sie unzählige Hände gedrückt hatte, fast taub war von den vielen Luftküsschen, klatschte Jill in die Hände und bat alle Gäste, sich auf dem Vorplatz zu versammeln. Nelly und die anderen Frauen hatten frisches Bier gebraut, und Nelly goss jetzt eine Kelle Bier auf den Boden, opferte damit ihren Ahnen und reichte die traditionellen Biergefäße aus Ton unter den Gästen herum. Ein Lagerfeuer warf zuckendes Licht über den Hof, der Frangipani duftete, Axel Hopper filmte, Nils Rogge machte sich Notizen. Alle sahen glücklich aus.
Dann erschienen Thobani und sein Cousin Thabo, die besten Stockkämpfer der Region. Kuhschwänze hingen von ihren Gürteln, perlenbestickte Bänder umschlossen ihre Arme und lagen kreuzweise über ihren nackten Oberkörpern. Jeder trug ein Stirnband aus dem Fell einer Wildkatze, Thobani dazu seine rote Baseballmütze, den Schirm nach hinten gedreht. Aufreizend stolzierten sie vor den im Kreis sitzenden, unverheirateten Zulumädchen herum, zu den lauten Anfeuerungsrufen die bemalten Kampfstöcke schwingend. »Hier ist ein Büffel!«, schrie Thabo und schlug den Stock gegen seinen Schild, und Thobani antwortete: »Hier ist ein Büffel, aber er ist größer!« Wieder knallte ein dumpfer Stockschlag.
Die Stöcke wirbelten, die Mädchen sangen, klatschten, trillerten. Die Menge geriet in Schwingungen, der dicke Bürgermeister lachte dröhnend, stampfte ein paar Tanzschritte, sein schwarzes Gesicht glänzte im Feuerschein, die Zähne blitzten. Stöcke schlugen mit hellem Klang aneinander, auch Yasmin wiegte sich in sinnlicher Langsamkeit zum Gesang der jungen Mädchen, dann schneller, sie schlängelte sich in Wellen, der Diamant im Nabel sprühte Feuer. Mitgerissen sprangen die anderen Frauen auf, sangen, tanzten, stampften, feuerten die Kämpfer mit Trillerpfeifen an. Yasmin warf den Kopf zurück, gab sich völlig dem Tanz hin, war nicht mehr Yasmin, sondern Thandile Kunene, die Zulu.
Der Funke sprang auf Jill über, der Rhythmus hämmerte durch ihren Körper, rauschte im Blut, zuckte in ihren Muskeln. Sie konnte nicht mehr still halten. Ganz nah bei Thandi, wie früher, als sie noch Kinder waren, überließ sie sich der Musik, tanzte sich alles von der Seele, was sie belastete, das Paillettenmuster ihres hoch geschlitzten schwarzen Kleides schimmerte wie eine kostbare Schuppenhaut im Widerschein der Flammen.
»Halt drauf! Neuer Titel, Weiß tanzt mit Schwarz«, hörte sie Nils wie aus weiter Ferne rufen, wurde von dem kleinen Scheinwerfer auf Axels Filmkamera
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