Ein Land, das Himmel heißt
fliegenden Wolkenschatten, in der Ferne das brennende Gelb des sonnengetrockneten Savannengrases, den Fluss, der unter ihr gemächlich dahinströmte, endlos, geheimnisvoll, märchenhaft. Das wollten sie ihr wegnehmen.
Nicht einmal den Gedanken daran ließ sie zu. Sie weigerte sich, in Betracht zu ziehen, dass es irgendjemandem gelingen könnte, sie von Inqaba zu vertreiben. Das Problem war lediglich, wie sie Popi zum Teufel schicken konnte, damit er ihr nicht den Tag verdarb. Eine Welle von Wut überschwemmte sie. Mühsam beherrschte sie sich ihrer Gäste wegen. »Sieh dir die Eintragung bei der Landkommission an und lass mich mit solchem Quatsch zufrieden …«
Ein weiches Plopp, Plopp drang an ihr Ohr, ein Schnauben, kurzes Wiehern. Erstaunt glitt ihr Blick von Popi ab, in die Richtung der Geräusche, und sie erblickte Len Pienaar und seine beiden Begleiter, alle drei lässig im Sattel ihrer Pferde sitzend, die Zügel in einer Hand haltend. Len erhob sich in den Steigbügeln, offensichtlich um die Szene besser überblicken zu können. Dann drängte er sein Pferd zwischen den Zulus hindurch, die jedoch kaum zur Seite wichen, und zügelte es. Er grüßte mit einem Kopfnicken und zwei Fingern an der aufgeschlagenen Krempe seines Hutes. Sein Safarianzug und der Hut, der das Emblem eines abgewandelten Hakenkreuzes trug, erinnerten an die Schutztruppenuniformen im früheren Deutsch-Südwest. Der linke Ärmel war unterhalb des Armstumpfes zugenäht. »Jill, meine Damen, da bin ich ja rechtzeitig gekommen, um ein Blutbad zu verhindern«, knurrte er, hakte die Zügel über den Sattelknauf und griff nach seinem Revolver.
Popi wirbelte herum, und Lens Pferd tänzelte nervös. Er sagte nichts, starrte nur unverwandt auf den einarmigen Mann in seiner Schutztruppenuniform. Seine schwarzen Augen sprühten Hass.
Jill war mit wenigen Schritten neben Pienaars Pferd. »Was zum Teufel machen Sie hier, verschwinden Sie auf der Stelle. Ich habe Ihnen schon mal gesagt, dass Sie auf Inqaba nichts zu suchen haben. Muss ich Ihnen erst die Polizei auf den Hals schicken?«
Len lachte laut. »Nur zu, mit denen unterhalte ich mich gern. Seinetwegen bin ich hier«, er zeigte mit dem Pistolenlauf auf Popi, »wir sind diesem Kerl schon länger auf der Spur, wir wissen, dass er seit langer Zeit immer wieder in dem verwilderten Gebiet auf der anderen Seite des Flusses unterkriecht, aber wir konnten ihn nie erwischen. Er bedroht die Farmen der Umgebung. Ich bin von den Farmern beauftragt worden, ihn einzukassieren, damit hab ich ein Recht, über Ihr Land zu reiten.« Man hörte Pienaars Stimme an, dass er Polizist gewesen war. »Er ist der Kopf einer Bande Illegaler, die Inqaba als Stützpunkt benutzen.«
Ach ja, dachte sie wütend, auf meinem Land! Was hat Popi auf meinem Land zu suchen?
»Geh da nicht hin«, hatte Nelly sie gewarnt, als sie damals auf der Suche nach dem Nektarvogel mit der scharlachfarbenen Brust gewesen war, hatte diesen verwilderten Teil Inqabas gemeint, der seit mehr als dreißig Jahren nicht mehr kultiviert wurde. Das also meinte sie, und deswegen hatte Len Pienaar auf der Farm herumgestöbert, damals nach Tommys Tod und auch später. Alles war direkt unter ihrer Nase passiert. Ben und Nelly hatten es gewusst und die Farmarbeiter mit Sicherheit auch. Langsam ebbte ihr Schock ab und wurde durch eine Wut ersetzt, die ihr den Kopf klärte und die Gedanken befreite.
Popi Kunene, der Rattenfänger, machte ein paar Schritte auf Len zu, blickte ihm noch immer forschend ins Gesicht. »Ich kenne dich«, flüsterte er heiser, »oh ja, wir sind uns schon einmal begegnet. Erinnerst du dich?«
»Wir auch.« Thabiso trat aus der Menge und stellte sich neben seinen Stammesgenossen, dicht vor Len Pienaars Pferd. Mit einem Finger fuhr er den weißen Streifen in seinen schwarzen Haaren nach, unter dem, wie Jill wusste, sich die Narbe verbarg, wo ihm ein weißer Polizist in den Kopf geschossen hatte. »Der das getan hat, lebt nicht mehr«, sagte er und sah dabei unverwandt nur Len an, »der, der das befohlen hat, sollte zittern. Ich habe lange auf diesen Tag gewartet«, setzte er hinzu. Seine Stimme klang wie Schmirgelpapier auf Stein, kratzte über Jills Nerven.
Die Hände von Lens Begleitern waren zu ihren Waffen geflogen. Das Ratschen, mit dem sie ihre Maschinenpistolen spannten, war sehr laut in der plötzlichen Stille. Axel filmte ungerührt, Nils’ Stift flog über das Papier. Alle anderen schienen den Atem anzuhalten, lauschten
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