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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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sind die, die er als Polizist gejagt und gefoltert hat, oder die Angehörigen derjenigen, die das nicht überlebt haben. Seine Opfer.«
    Sein Notizbuch lag schon auf seinen Knien. Sie hielt es für ihn, er machte sich Notizen. »Hochinteressant. Axel …« Nils lehnte sich zu seinem Partner, sprach ein paar Minuten leise mit ihm, ehe er weiterschrieb.
    Sie fuhren immer noch langsam, gelegentlich kreuzten kleinere Impala-Herden ihren Weg, zierliche Tiere mit leuchtend rostbrauner Decke und cremeweißer Zeichnung, Warzenschweinfamilien sausten durch den Busch, einmal stand eine Giraffe mitten in der Landschaft. Ganz still. Rührte sich nicht, sah aus wie eine überdimensionale Schnitzerei von der Art, wie man sie in Andenkenläden kaufen konnte. »Musa, es ist bald Zeit, zurück nach Inqaba zu fahren«, sagte Jill.
    Der Zulu nickte und steuerte den Geländewagen in eine S-förmige Kurve. Saftiges Grün, Palmen, großblättrige Sumpfpflanzen, kleinere Bäume mit frischen Trieben wuchsen rechts und links vom Weg, bildeten ein sonnenflirrendes Dach. Sie kamen aus der Kurve heraus, und vor ihnen stand eine graubraune Wand aus runzliger Haut. Musa trat auf die Bremse. Eine Elefantenkuh, ein riesiges Tier, war aus dem Busch gewandert und mitten auf dem Weg stehen geblieben, ein Junges folgte mit flappenden Ohren, dann der Rest der Familie. Neun Tiere zählte Jill. Unterdrückte Freudenrufe der Gäste erregten die Aufmerksamkeit der alten Leitkuh. Sie stellte sich vor ihre Familie. Fotoapparate klickten, Axel filmte. Auf sanften Sohlen wanderten die Riesen gemächlich den Weg hinunter, rissen Zweige ab, einer schob einen kleineren Baum um. Ihre Kaugeräusche, das Rumpeln ihrer Bäuche war laut in der Stille des Buschs. Die drei Jungen, kaum mehr als zwei Monate alt, spielten übermütig zwischen den Beinen ihrer Eltern. Sie jagten sich, rauften miteinander, bewarfen sich mit Gras, suhlten sich schnaufend in Schlammpfützen. Die alte Kuh sicherte aufmerksam ihren Rückzug.
    »Sie lassen uns nicht vorbei«, flüsterte Musa, der den Motor angelassen hatte, »mal sehen, ob ich sie bewegen kann, Platz zu machen.« Er fuhr behutsam an. Die Leitkuh stellte die Ohren auf, schwang ihren Körper und rannte mit erhobenem Rüssel los, direkt auf sie zu. Alle japsten erschrocken auf, die Kuh aber blieb nach wenigen Metern stehen. Es war ein Scheinangriff gewesen.
    »Das hieß, verpisst euch, aber dalli«, flüsterte Axel und hielt den Auslöser seiner Kamera gedrückt. »Super, wirklich.« Auch Rainer Krusen und die anderen Gäste verschossen mehrere Filme.
    Mit quietschendem Trompeten riss einer der Kleinen aus und verschwand im meterhohen Gras. Die Kuh wurde abgelenkt. Eine Dreiviertelstunde später hatte der Busch auch den letzten grauen Riesen verschluckt. Sie fuhren zurück nach Inqaba, und es stand fest, dass der Ausflug schon jetzt ein voller Erfolg gewesen war. Jill atmete auf. So viel hing davon ab, was diese zehn Menschen, die viel Geld dafür zahlten, um das alles zu sehen, zu Hause berichten würden.
    Die weißen Wölkchen waren inzwischen zu ausgewachsenen Wolken geworden, und eine entlud sich in einem Platzregen. Musa parkte unter einer Schirmakazie, und Jill verteilte Erfrischungsgetränke. Der Regen hörte nach ein paar Minuten auf, Millionen von Wassertropfen glitzerten auf dem Grün, ein paar Webervögel badeten in einer Pfütze, mehrere blau schillernde Schmetterlingsschönheiten, von denen sie nur den lateinischen Namen kannte, tauchten ihre Rüssel in das Nass, nahmen Mineralien in zierlichen Schlucken auf. Sie seufzte. Es verging kein Tag, an dem sie nicht dankbar war, hier zu leben.
    *
    Den ausgewaschenen Sandweg zum Grillplatz hatte sie einebnen lassen, die Geröllbrocken, die ihn nach dem letzten großen Regen versperrten, hatten Ben und seine Leute an die Seite geschoben. Sie bogen um die letzte Kurve, und vor ihnen lag der Rastplatz im luftigen Schatten des ausladenden Baldachins des White-Stinkwood-Baumes. Oberhalb des Hangs, der zum Fluss abfiel, standen mehrere aus Holzstämmen gehauene Sitzbänke und Tische. Rechts und links hatte Jill zwei Holzkohlegrills mauern lassen. Musa und Philani sprangen aus dem Wagen, begannen sofort, das Essen auszuladen und Kohle in die Grillwannen zu füllen. Sie stieg aus und spähte über die Kante. Träge floss das lehmgelbe Wasser unter ihnen dahin. Auf der schmalen Sandbank dicht am Ufer schliefen zwei Krokodile im Schatten einer überhängenden Palme. Moskitos sirrten in

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