Ein Land, das Himmel heißt
mit offenem Mund, wendeten ihre Köpfe zwischen den Männern hin und her wie Zuschauer auf einem Tennisplatz. Rainer Krusen sah hingerissen aus, schien zu glauben, dass die Szene eine Inszenierung zu ihrer Unterhaltung war.
»Na, das ist doch was«, murmelte Nils dicht neben ihr, »jetzt haben wir ja richtig Action«, er sprach das Wort englisch aus. »Sind ja Zustände wie im Wilden Westen hier.«
»Bete lieber, dass wir hier alle lebend herauskommen«, sagte sie, gerade so laut, dass nur er es hören konnte.
Er zeigte mit dem Kinn auf Popis Leute. »Hältst du die für gefährlich?«, fragte er erstaunt, während er weiterschrieb.
Sie sah hinüber, verstand, was er fragte. Die Männer sahen nach nichts aus. Die meisten trugen zerschlissene, zusammengewürfelte Kleidung, manche hatten ein traditionelles Kuhfell über ihr grau gewaschenes T-Shirt geworfen, trugen Baseballkappen oder Leopardenstirnbänder, kurze Hosen, lange Hosen, ausgefranste, abgeschnittene Hosen. Alle hielten Kampfstöcke in den Fäusten, nicht wenige jedoch trugen auch Schusswaffen. Sie trugen sie offen. »Allerdings. Sieh sie dir genau an, besonders ihre Haltung. Sie stehen aufrecht da, sehen uns geradewegs in die Augen. Das sind disziplinierte, kampferprobte Ex-Terroristen, glaub mir. Und freie Männer«, setzte sie leise hinzu.
»Beeindruckend«, murmelte Nils.
»Ich denke allerdings nicht, dass Popi mir etwas antun würde, aber jetzt, wo die da auf der Bildfläche erschienen sind«, Jill nickte in Richtung der drei Reiter, »kann es schnell dazu kommen, dass einer die Kontrolle verliert und losballert. Bei den Zulus geht es immer um Land, seit Anbeginn der Zeit. Weidegrund für ihr Vieh, das ihr Reichtum ist, dafür kämpfen sie bis aufs Blut und unter Einsatz ihres Lebens. Auch heute noch. Und wenn Len Pienaar auch noch derjenige ist, der Thabiso damals in den Kopf geschossen hat, möchte ich nicht in seinen Schuhen stecken. Wir müssen hier weg, und zwar pronto, ich habe keine Lust, zwischen die Zulus und Len zu geraten.«
Er lehnte sich so nah zu ihr, dass sich ihre Schultern berührten, sprach leise, so dass nur sie es verstehen konnte. »Warum rufen wir nicht die Polizei? Ich hab meine Handy in der Hosentasche. Ich könnte es machen, ohne dass es jemand merkt.«
Trotz der angespannten Situation hätte sie fast gelacht. »Polizei? Hast du nicht gehört, was der Kerl gesagt hat? Auf die Polizei kannst du dich nicht verlassen. Ich würde mich nicht wundern, wenn die vollzählig zu Popis Leuten gehören. Vergiss es! Außerdem hast du hier vermutlich nur sporadisch Empfang, der ist in dieser Gegend noch ein bisschen löcherig. Wir müssen uns selbst helfen. Du kennst doch den Rest von Afrika, dann weißt du, wie es hier ist.« Seine Schulter war noch immer an ihre gepresst. Es war ein gutes Gefühl, und sie bewegte sich nicht.
Ein Schatten lief über sein Gesicht. »Ist es hier auch schon so weit? Wie bedauerlich, ich hatte gehofft, dass dieses Land einen anderen Weg geht.« Er schrieb sich etwas auf.
Unmerklich waren die Zulus näher gerückt, hatten den Kreis enger gezogen. Sie hielten ihre Waffen hoch, bildeten einen Staketenzaun damit, und plötzlich standen nur noch Len und seine Begleiter, Popi, Thandi und Thabiso im Zentrum dieses Zaunes. Lens Haut verfärbte sich dunkelrot, sein kleiner Mund zwischen den Hamsterbacken bewegte sich, aber angesichts der Waffen sagte er nichts. Thabiso ergriff den Kinnriemen seines Pferdes, hielt es fest, zwei andere Zulus, offenbar erfahren im Umgang mit Pferden, hielten die Tiere der anderen zwei Männer.
Jill wusste, dass sie jetzt blitzschnell handeln musste, um ihre Gäste unversehrt von hier wegzubringen. Nichts anderes zählte. »Wir müssen sofort alle in den Wagen steigen und weg hier«, flüsterte sie Nils zu, »ich werde fahren, ich hab das Gefühl, dass Musa und Philani hier bleiben werden. Bitte hilf mir.« Sehr leise unterrichtete sie ihre Gäste. Rainer Krusen und Nils hoben Peter Kent in den vordersten Sitz, alle anderen stiegen hastig nach ihm ein.
»Auch gut«, grinste Axel fröhlich, »brauch ich wenigstens nicht zu laufen.«
»Ich komme«, sagte Musa und setzte sich hinters Steuer, im selben Moment sagte Philani das Gleiche. Musa ließ den Motor an, Popi schaute nur flüchtig zu ihm hin und dann wieder zu dem Mann mit dem Schutztruppenhut und dem Emblem eines abgewandelten Hakenkreuzes an der hochgeklappten Krempe. Bevor sie ins Auto stieg, drehte Jill sich noch einmal
Weitere Kostenlose Bücher