Ein Land, das Himmel heißt
um. Sie konnte der Versuchung einfach nicht widerstehen. »Einen besonders schönen Tag wünsche ich Ihnen«, sagte sie, sah Len Pienaar direkt in die Augen und hoffte, dass er darin lesen würde, was sie ihm wirklich wünschte.
»Wer außer uns hat etwas gegen uSathane vorzubringen?«, hörte sie Thabiso die Zwillinge fragen, dann fuhr Musa um die Kurve. Verstohlen atmete sie erst einmal tief durch.
»Mein Gott, was habt ihr nur für eine Gesellschaft hier«, murmelte Nils. »Was passiert jetzt mit den drei Männern? Ich hatte nicht das Gefühl, dass dieser Popi Kunene und der andere unbedingt Anhänger von Bischof Tutus Aufruf zum Vergeben und Vergessen sind. Ganz zu schweigen von dem Rest seiner finsteren Gesellen. Wir sollten Hilfe holen, wir können die doch nicht einfach so ihrem Schicksal überlassen.«
»Wen sollten wir denn um Hilfe bitten? Wir müssen uns da heraushalten, die machen das unter sich aus. Außerdem glaube ich, dass die Chancen durchaus gleich verteilt sind. Denk an Len Pienaars Vergangenheit, und ich wette mit dir, dass die beiden anderen Männer bei dem gleichen Verein waren wie er. Die können sich wehren.« Außerdem geschieht es ihnen recht. Aber das dachte sie nur. Ständig liefen im Fernsehen im Rahmen der Anhörungen der Wahrheitskommission die Live-Übertragungung der Amnestieverfahren. Einer nach dem anderen nahmen die Killer des Apartheid-Regimes, die weißen wie die schwarzen, vor Bischof Tutu und seinen Beisitzern Platz, beschrieben ohne Gefühlsregung in kalten Worten Verbrechen von so unglaublicher Scheußlichkeit, von einer Brutalität, die sich kein normaler Mensch ausmalen konnte. Und dann genügte es, dass sie einen Satz sagten. »Es tut mir Leid.« Der Staat, dem sie gedient hatten, hätte sie an den Galgen geschickt. Sie aber durften den Saal als freie Menschen verlassen, sie durften zurückkehren in ihre schönen Häuser, zu ihren Familien, durften ihr gutes Leben wieder aufnehmen. Nur die Allerschlimmsten bekamen langjährige Haftstrafen. Zurück blieben Menschen, deren Leben sie zerstört hatten, an Leib und Seele.
Sie schüttelte sich, schwor sich zu verhindern, dass Len Pienaar ungeschoren davonkam. Allein die Vorstellung, er könnte es schaffen, machte sie krank.
Sie beugte sich vor und tippte Philani auf die Schulter. »Sag Musa, er soll noch einen Abstecher zu den Nistplätzen der Bienenfresser machen, das wird alle ablenken.« Sie sagte es auf Zulu.
Philani nickte, und eine viertel Stunde später klickten wieder die Fotoapparate, war ein vergnügtes Gespräch im Gange, und die Begegnung mit dem Bösen, mit uSathane und seinen ehemaligen Opfern, verblasste hinter dem Eindruck der schillernden Vögel, die in einer steilen Lehmwand am oberen Lauf des Flusses nisteten.
*
Kaum war sie zu Hause angekommen, entschuldigte sie sich bei ihren Gästen, flüsterte Nils zu, dass sie sich nach dem Essen vor seinem Bungalow treffen würden, und suchte Irma. Sie fand sie, in ihr schwarzes Schleiergewand gewickelt, den Sonnenhut tief ins Gesicht gezogen, am Swimming-Pool im Schatten auf einer Liege hingestreckt vor. Sie schien zu schlafen. Jill jedoch kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit hart arbeitete. Sie hatte die Angewohnheit, sich in Gedanken unter die Figuren ihrer Romane zu mischen, mit ihnen zu leben, sie zu beobachten und ihnen zuzuhören, und erst wenn ihre fiktiven Personen zu Freunden geworden waren, konnte sie darüber schreiben. Dann hackte sie wie ein hungriger Specht auf ihrer alten Schreibmaschine herum und brachte alles zu Papier. »Irma«, rief sie leise.
Es dauerte einen Moment, ehe Irma reagierte. Dann hob sie warnend eine Hand, zog ihren Block heran und kritzelte ein paar Zeilen. »So«, sagte sie mit deutlichen Anzeichen tiefster Zufriedenheit, »jetzt habe ich es notiert. Du kennst doch das erste Gebot aller Schrifststeller? Erst aufschreiben, dann Gott danken, sonst ist er weg, der Gedanke.« Sie lachte. »Was ist denn, Liebes?«
Kurz berichtete Jill, was geschehen war. »Wir sollten uns einen Auszug aus dem Grundstücksregister besorgen, ihn rahmen und ans Tor hängen, damit all diese Geier, die hinter meinem Land her sind, gleich nachlesen können, dass es hier nichts zu holen gibt.« Sie warf sich in einen Liegestuhl. »Himmel, bin ich wütend!«
Irma runzelte die Stirn. »Du musst damit rechnen, dass die Kunene-Zwillinge hier noch einmal auftauchen, schließlich ist Thandi unser Gast, gut zahlender Gast,
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