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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Vicky im Nebenzimmer lagen und dass sie außer dem Schock keine Verletzungen davongetragen hatten. Lange stand sie neben den kleinen Mädchen, die sich in einem Bett fest aneinander gekuschelt hatten. Das andere Bett war unbenutzt. Schlaftrunken schlangen die Kleinen ihr die Ärmchen um den Hals, klammerten sich an sie. Sie murmelte Koseworte, erzählte ihnen von ihrer Mutter und dass ihr Vater kommen würde.
    »Komm«, sagte Nils, »du musst jetzt nach Hause.«
    Aber sie schüttelte den Kopf. »Ich kann sie nicht allein lassen. Ich bleibe hier, bis Alastair eintrifft. Er hat sicher die erste Maschine genommen und müsste bald hier sein.« Es war mittlerweile acht Uhr. Sie konnten nichts weiter tun, als sich ins Wartezimmer zu setzen. Kaum saß sie neben Nils, hatte ihren Kopf an seine Schulter gelegt, war sie eingeschlafen.
    Das Nächste, was sie hörte, war seine Stimme. »Jilly, wach auf, Liebling.« Er rüttelte sie sanft an der Schulter. »Augen auf, komm …«
    Vollkommen benommen hob sie den Kopf und sah hoch. Alastair stand vor ihr. Im grünlichen Licht der Deckenbeleuchtung war sein sonst so braun gebranntes Gesicht fahl, die Augen waren fast schwarz. Erschrocken sprang sie auf. »Alastair …? Angelica …?«
    Er fuhr sich mit der Hand über die rotbraunen Haare. »Noch schläft sie, aber Marius sagt, sie kommt durch.« Tränen hinderten ihn, weiterzureden. Den Arm um ihn gelegt, wartete sie schweigend, bis er sich wieder gefasst hatte. »Patrick hat eine Menge Blut verloren, aber er ist jung und widerstandskräftig. Er wird bald wieder herumlaufen.« Seine Hände ballten sich zu Fäusten, die Adern an seinem Hals traten hervor. »Ich bring die Kerle um, wenn ich sie erwische«, presste er hervor. Dann beugte er sich zu ihr herunter, küsste sie auf die Wange. »Danke, Jill. Für alles.«
    Sie legte ihm die Finger auf die Lippen. »Brauchst du etwas von zu Hause? Oder wirst du bald heimfahren?«
    »Ich bleib noch ein bisschen. Vielleicht wacht sie auf, dann will ich bei ihr sein. Marius hat mir erlaubt, an ihrem Bett zu sitzen.« Noch einmal drückte er sie, und dann ging er. Kurz darauf schwang die Tür zur Intensivstation hinter ihm zu.
    Nils legte seinen Arm um ihre Schultern. »Es ist fast neun Uhr, und wir gehen jetzt frühstücken … Es hat gar keinen Zweck, zu protestieren, für heute habe ich das Kommando übernommen. Gib mir den Schlüssel, ich fahre.«
    »Ich habe völlig vergessen, mich nach dem Polizisten zu erkundigen. Hast du etwas gehört?«
    Er fuhr über die Brücke, die den Highway überspannte, hinunter nach Umhlanga. »Er ist tot«, sagte er, »er ist im Krankenwagen gestorben, noch bevor sie losfahren konnten.«
    Beklommenheit senkte sich als kalte Wolke auf sie nieder, machte ihr auf einmal das Atmen schwer. Sie lehnte den Kopf an die Rückenlehne, hatte das Fenster weit geöffnet und ließ sich den warmen Fahrtwind ins Gesicht blasen, konnte die Bilder der Nacht, als sich die Sonne in Finsternis und der Mond in Blut verwandelte, nicht mit dem lichtüberfluteten Land, das vor ihr lag, in Einklang bringen. Der Polizist war noch so jung gewesen. Ob er verheiratet war? Vielleicht Kinder hatte? »Lass uns herausfinden, wo seine Familie wohnt«, sagte sie in das Schweigen, »vielleicht können wir helfen.«
    »Ich habe ihre Adresse, wir können heute Nachmittag hinfahren. Er war ein ganz junger Mann, der erst vor einem halben Jahr Polizist geworden war. Er hinterlässt seine Frau.«
    Sie schwiegen, bis sie kurz darauf auf dem Parkplatz des Cabana Beach Hotels parkten. Er stieg aus und half ihr heraus. Sie gingen vorbei an dem üppig bepflanzten Eingang durch die hohe Eingangshalle, die Treppe hinunter und durch einen gefliesten Gang hinaus auf die Meerseite. Das Donnern der Brandung und die warme Feuchtigkeit des Meeres umfingen sie. Sie liefen den gepflasterten Weg unter den riesigen Baumstrelitzien hindurch, vorbei an duftenden Amatungulu, bis zu der Stelle, wo sie die Küste von der schemenhaften Silhouette Durbans im Süden bis zu den im Wasserschleier der Gischt verlaufenden Hügeln des Nordens überblicken konnten. Die Sonne war heiß, das Meer funkelte wie ein diamantbestickter Teppich, Möwen schrien, ein leichter Wind fächelte, der Geruch nach Salz und Tang hing in der Luft, legte sich auf ihre Lippen, ein paar Kinder lachten. Es war ein ganz normaler Sommertag am Meer von Umhlanga Rocks.
    Keine fünf Kilometer weiter lagen fünf Menschen im Krankenhaus, die sie liebte, die

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