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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Alastair und unterbrach die Verbindung.
    *
    Die ganze Nacht kämpften Marius und seine Kollegen um Angelicas Leben. Sobald die Kinder versorgt waren und ruhig unter der Aufsicht der Nachtschwestern schliefen, wartete Jill vor dem Operationssaal, in dem Angelica operiert wurde. Gegen sechs Uhr früh kam ein hohläugiger, kreidebleicher Marius heraus. Sein Mundschutz hing unter seinem Kinn, die Kappe hatte er in die Tasche gesteckt. Das Licht im Gang malte grünliche Schatten unter seine Augen. Mit beiden Händen rieb er sein Gesicht, schüttelte sich, massierte seinen Nacken und gähnte herzhaft. Dann entdeckte er sie.
    »Marius?« Mehr bekam sie nicht heraus.
    Ein schwaches Lächeln huschte über seine müden Züge. »Geschafft«, sagte er, »wir haben sie zusammengeflickt. Wenn sie die nächsten Stunden übersteht, wird sie so gut wie neu.«
    Jill setzte sich auf die nächste Bank und bekam einen Weinkrampf. Marius setzte sich neben sie, legte den Arm um sie, zog sie an sich und hielt sie einfach nur fest. Irgendwann drückte ihr jemand einen Becher mit heißem Kaffee in die Hand. »Mit einem Schuss Cognac und ein paar Löffeln Zucker«, hörte sie die Stimme einer Schwester. Gehorsam trank sie das starke Gebräu, und langsam versiegten ihre Tränen. Lautstark putzte sie sich die Nase und richtete sich auf.
    »Besser?«, fragte Marius, wischte ihr mit seiner Kappe das Gesicht trocken und stieß die Tür zur Intensivstation auf. »So, nun kannst du Angelica einmal kurz sehen, und dann fährst du nach Hause.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich hab kein Auto hier, ich muss mir irgendwo eins leihen. Ein Taxi nach Inqaba kann ich mir nicht leisten. Vielleicht kann ich so lange hierbleiben, bis Irma kommt und mich abholt?«
    Sein Lächeln war schon um einen Hauch fröhlicher. »Das wird nicht nötig sein. Hier ist jemand, der dich abholen will.« Er deutete hinter sich.
    Sie drehte sich um. Nils kam eben den Gang herunter, hob eine Hand und lächelte sie an. Dieses Lächeln traf sie mitten ins Herz. Ihr wurde heiß, das Blut stieg ihr in den Kopf, ihr Puls flatterte.
    Marius schloss die Tür zur Station auf und warf ihr einen Seitenblick zu. »Sieh an, so ist das also …? Netter Kerl.« Dann blieb er vor dem Kontrollfenster eines matt beleuchteten Raumes stehen. »Da liegt sie.«
    Jill sah hindurch, konnte ihren Schock kaum verbergen. Angelica war nicht zugedeckt. Ihr Brustkorb war verbunden, mehrere Schläuche kamen unter den Verbänden heraus. Zwei Ärzte arbeiteten noch an ihr. Einer justierte den Tropf, ein anderer las etwas von einem der piepsenden Geräte ab. Eigentlich erkannte sie Angelica nur an ihren blonden Haaren und den großen Füßen, deren Sohlen vom ewigen Barfußlaufen auf der roten afrikanischen Erde rötlich verfärbt waren. Tränen stiegen ihr in die Augen. Lange starrte sie ihre Freundin an. Du schaffst es, du schaffst es, du musst es schaffen, befahl sie ihr schweigend, versuchte, ihr etwas von ihrer eigenen Kraft zu übertragen. Sie stand so, bis Marius sie am Arm berührte. »Ruf mich ungefähr um elf Uhr an, dann wissen wir mehr.« Er brachte sie zur Tür der Intensivstation. Noch einmal winkte er ihr zu, dann verschwand er in Angelicas Zimmer.
    Als sie sich umwandte, stand Nils vor ihr. »Du siehst aus wie eine halb ersäufte Katze«, stellte er fest, zog ein T-Shirt und ein paar Jeans aus einer Plastiktüte. »Hab mir gedacht, dass du diese blutverschmierten Klamotten ausziehen möchtest, und hab deine Tante gebeten, mir etwas einzupacken.« Er reichte ihr die Tüte, in der sich auch eine Unterhose befand.
    Sie sah an sich herunter. Ihr grünes, rückenfreies Kleid war über und über mit rostbraunem Blut besudelt, das zu großen, steifen Flecken getrocknet war. Selbst ihre weißen Leinenschuhe waren blutverkrustet. Sie musste in das Blut der Hunde getreten sein. Sie schüttelte sich, und auf einmal konnte sie nicht schnell genug aus ihrer Kleidung herauskommen. »Danke«, sagte sie, küsste ihn auf den Mund, nahm ihm die Tüte ab und stellte sich in einem der Patientenbadezimmer unter die Dusche, bis mit dem Blut auch der Schock der Nacht von ihr abgewaschen war und sie wieder klar denken konnte.
    Zusammen mit Nils schaute sie nach den Kindern. Craig war aufgewacht, aber immer noch käsig blass. Leise sagte sie ihm, dass es seiner Mutter schon viel besser gehe. Patrick, im Bett neben ihm, schlief fest. Sie redete mit der Schwester, die bei den Kindern Wache hielt, erfuhr, dass Michaela und

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