Ein Land, das Himmel heißt
umklammerte.
Als die heiße Flüssigkeit ihre Kehle hinunterrann, versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen. Sie hatte vergessen zu fragen, wo Popi und Thandi sich jetzt aufhielten. Vermutlich irgendwo auf ihrem Land. Sie dachte an das, was Neil Robertson über das neue Gesetz, die illegalen Landbesetzungen betreffend, gesagt hatte. Sie musste das Lager Popis aufspüren, und sie musste ihn von ihrem Land vertreiben. Fast eine Stunde saß sie so allein, drehte und wendete die Möglichkeiten, sich der Kunene-Zwillinge zu entledigen. Sie beschloss, sich selbst auf die Suche nach dem Lager zu machen.
Ein schwerer Regentropfen klatschte auf ihren Arm, unterbrach ihre Gedanken, dann noch einer, und während sie blitzschnell ihren Tisch und dann die anderen abräumte, kamen die Tropfen dichter, und keine Minute später prasselte der Regen so stark aus dem grauen Himmel, dass die Welt um sie herum im Nebel verschwand. Im Nu stand die Terrasse unter Wasser, jeder Tropfen verursachte beim Aufprall einen munteren kleinen Springbrunnen, vom Rieddach fiel der Regen wie ein silberglänzender Vorhang. Irgendwo in der Nebelwelt hörte sie seine Stimme. Sie lief ins Haus, ergriff ihren Regenschirm, der Übergröße hatte, klemmte sich einen weiteren unter den Arm für Axel. »Nils, bleibt da, ich komme mit einem Schirm rüber«, schrie sie und rannte zum Bungalow. Popi und Thandi waren vergessen.
Mit einem Sprung tauchte sie unter dem Wasserfall durch, der von der Dachkante des Bungalows stürzte, und wollte an die Tür klopfen. Sie war nicht verschlossen und schwang nach innen auf. Den Schirm ließ sie aufgeklappt draußen stehen und trat ein. Aus Axels Zimmer, dessen Tür einen Spalt offen stand, scholl Lachen, das intime gurrende Lachen einer Frau, Bettsprungfedern knirschten, dann sagte Axel ein paar Worte, die aber zu leise waren. In sich hineinlächelnd hob sie die Hand, um bei Nils zu klopfen, als die Frau an der Tür vorbeiglitt und sie einen Blick auf sie erhaschte.
Ihre erhobene Hand sank herunter. Es war Thandile Kunene. Blitzschnell trat sie zurück. Thandi hatte sie nicht bemerkt, auch Nils wusste noch nicht, dass sie hier war. Was sollte sie tun? Sich davonschleichen? Lautlos zog sie sich zum Eingang zurück.
»Jill«, Nils’ Tür flog auf, »kommst du, um mich vorm Ertrinken zu retten?« Mit einem langen Schritt war er bei ihr, zog sie in die Arme, küsste sie ausgiebig. Ein leises Klicken verriet ihr, dass Axel seine Tür geschlossen hatte. Er wollte also nicht, dass sie wusste, mit wem er ins Bett ging. Natürlich hatte sie mitbekommen, dass Axel von Anfang an um Thandi herumgeschnurrt war, und im Prinzip war es ihr gleichgültig, was ihre Gäste in ihren Räumen unternahmen, solange es dem Ruf Inqabas nicht schadete. Aber Thandile Kunene? Nein. Auf keinen Fall.
Einen Schirm ließ sie für Axel im Eingang stehen. Hand in Hand mit Nils hüpfte sie in großen Sätzen durch aufspritzende Wasserlachen hinüber zum Haus. Der Regen kam waagerecht, der Schirm machte keinen großen Unterschied. Bis zur Taille wurde sie völlig durchnässt. »Setz dich ins Esszimmer, ich werde dir dein Frühstück dorthin bringen lassen. Ich muss mich umziehen und Jonas einweisen. Er müsste jeden Augenblick erscheinen.« Hoffentlich.
Während sie in ihrem Zimmer die nassen Shorts herunterpellte, dachte sie über die Situation nach. Sie konnte Axel nicht verbieten, sich mit Thandi zu treffen, aber Thandi hatte von ihr Hausverbot erhalten. Sollte sie es Axel gegenüber durchdrücken? Würde er es akzeptieren? Noch radikaler, sollte sie doch die Polizei rufen und die beiden Kunenes des Überfalls auf die Farrington-Farm bezichtigen? Die Antwort auf die wichtigste Frage – würde das ihr Verhältnis zu Nils verändern? – gab den Ausschlag. Er würde sie nicht verstehen, sie hatte keine Beweise. Zähneknirschend, gegen alle Instinkte angehend, entschloss sie sich, ihren Mund zu halten, so zu tun, als hätte sie Thandi nicht gesehen.
Jonas wartete bereits in der Eingangshalle auf sie. Heute Morgen trug er das gleiche Hemd wie jeden Tag, aber es war frisch gebügelt. Offenbar wusch und bügelte er es jeden Abend. Das gefiel ihr. Nachdem sie ihm erklärt hatte, was sie von ihm erwartete als Empfangschef, was sehr schnell ging, denn seine Auffassungsgabe war schon immer außergewöhnlich gewesen, drückte sie ihm einige Geldscheine in die Hand. »Kauf dir ein paar Hemden und eine zweite Hose. Arbeitskleidung.« Sie lächelte. Die
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