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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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brauchst keine Angst zu haben, Jill«, sagte sie, »wir wachen über dich, dir wird auf dem Weg nach Hause nichts passieren.«
    Die beiden jungen Frauen standen sich gegenüber, musterten sich schweigend. Sie waren gleich groß, ihre Augen auf gleicher Höhe. Die Luft zwischen ihnen schien zu knistern. Endlich streckte die schöne Zulu ihre Hand aus, berührte die von Jill. »Ich bin’s, Thandi«, sagte die Frau leise, die sich Yasmin Kun genannt hatte.
    Die Berührung war sanft und flüchtig, wie die eines Schmetterlings, aber sie traf Jill wie ein leichter elektrischer Schlag, und das Glücksflämmchen flammte wieder auf. Diesmal war ihre Verwirrung noch stärker. Sie verstand ihre eigene Reaktion nicht. Mit einem Abschiedsgruß an die Dlaminis wandte sie sich ab und ging die Dorfstraße hinauf zum Haus, immer noch so mit dem Gefühl ihrer Verwirrung beschäftigt, dass sie vergaß, Thandi zu warnen, dass sie Christopher Williams auf sie und Popi angesetzt hatte.
    Wieder musste sie sich auf das Mondlicht verlassen, das ihr den Weg zeigte. Im Busch raschelte und flüsterte es, hier und da knackten Zweige, die Zikaden sangen. Aber sie spürte keine Angst, der Schrei des Nachtvogels erschreckte sie nicht. Die afrikanische Nacht umarmte sie als Freund. Wie früher.
    *
    Bis in die frühen Morgenstunden lag sie wach, kam nicht los von den Fragen, die sie nicht beantworten konnte. Steckten Len Pienaar und Leon hinter den Überfällen? Aber warum, warum, warum? Nächstes Jahr standen die Parlamentswahlen an, das hatte Nils gesagt. Aber auch er war sich nicht im Klaren darüber gewesen, was das zu bedeuten hatte. Quälend langsam vergingen die Stunden. Erst als ein matter Perlmuttschimmer den nahenden Morgen ankündigte, schlief sie endlich ein, schlief, bis die Hadidahs vor ihrem Fenster so lange herumschrien, dass sie einen Schuh nach ihnen warf.
    Nachdem sie ihre Gäste begrüßt hatte, nahm sie ihr Frühstück allein am hintersten Tisch auf der Terrasse ein, überlegte sich, was die Kunene-Zwillinge ihr wohl vorzuschlagen hätten. Nachdenklich trank sie ihren Kaffee, schaute dabei über das Land. Es war ein ruhiger Tag. Am Horizont, hinter dem ersten Hügel, stieg eine Rauchsäule kerzengerade in die windstille Luft. Sie kniff die Augen zusammen, suchte etwas zu erkennen, aber es war zu weit weg. War es noch auf ihrem Land? Hinter dem Hügel lag der wilde Teil oberhalb des Flusses, aber der war wohl zu nass, der konnte nicht brennen. Kein Grund zur Aufregung also.
    In dem Moment jedoch passierten zwei Dinge gleichzeitig. Die Rauchsäule explodierte, der feurig schwarze Wolkenpilz eines Benzinfeuers brodelte hoch, und ihr Handy klingelte. Sie sprang auf, das Handy aus der Hosentasche ziehend, konnte nicht glauben, was sich da vor ihren Augen abspielte. »Hallo«, rief sie in den Hörer. Aber nur Rauschen antwortete ihr, ganz entfernt eine Stimme, aber unverständlich. »Reden Sie lauter«, schrie sie, hielt sich das andere Ohr zu, um jedes störende Geräusch auszuschließen. »Ich kann Sie nicht verstehen, lauter.«
    Dann endlich machten ein paar Worte Sinn. »Jill, Hilfe … wir verbrennen …« Ihr fiel fast das Telefon aus der Hand. Sie war sich sicher, Thandi Kunenes Stimme gehört zu haben. Sie starrte auf die Rauchwolke, vergeudete kostbare Sekunden, versuchte zu begreifen, was da vor sich gehen, was das mit Thandi zu tun haben könnte. Plötzlich wurde ihr eiskalt.
    Christopher Williams. Sie hatte ihn auf Popi und seine Leute gehetzt, hatte ihn angewiesen, sie zu vertreiben, falls sie sich illegal dort niedergelassen hatten. »Dieses verdammte Schwein«, schrie sie, kümmerte sich nicht um die verstörten Gesichter ihrer Gäste, als sie zwischen den Tischen hindurchstürmte. »Ruf die Polizei, Jonas«, befahl sie im Vorbeirennen, »jemand versucht offenbar, illegale Siedler im wilden Teil des Flusses abzufackeln. Ruf auch die Feuerwehr und Krankenwagen.« Damit war sie schon draußen und in ihrem Wagen, raste Sekunden später durchs Tor. Mit dem Daumen wählte sie Alastairs Nummer, während sie Mühe hatte, das Auto auf der von Schlaglöchern pockennarbigen Straße zu halten. Alastair aber meldete sich nicht. Frustriert warf sie das Telefon auf den Beifahrersitz.
    In Rekordzeit erreichte sie den Fluss, hielt rutschend auf dem Grillplatz unter dem großen Stinkwood-Baum und sprang heraus. Der Anblick, der sich ihr am gegenüberliegenden Ufer bot, war furchterregend. Es brannte überall, fast den gesamten Saum

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