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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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mich helfen«, sagte sie, fühlte sich so hilflos, wünschte, sich nützlich machen zu können.
    Popi krächzte seiner Großmutter ein paar Worte zu, und ohne Jill eines Blickes zu würdigen, überreichte diese ihr die Flasche, befahl ihr, die Flüssigkeit ihrem Enkelsohn in den Mund zu träufeln. »Es ist Sud von Weidenblätterspitzen, es tötet den Schmerz«, erklärte sie, dann beugte sie sich zu Popi hinunter, zischelte ihm etwas ins Ohr, wartete auf seine leise, für Jill unverständliche Antwort. Als die Alte vernahm, was er zu sagen hatte, glühten ihre Augen auf. Dann wandte sie sich den anderen Verletzten zu.
    Im Nachhinein glaubte Jill, die Namen Leon und uSathane verstanden zu haben. Aber das hatte jetzt keine Bedeutung. Sie tat, wie ihr von Lena geheißen, gab Popi den Sud tröpfchenweise. Seine Augen waren trüb vor Schmerz und Schock, sein Puls raste. Er stand kurz vor einem Kollaps. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass die alte Lena die fleischigen Blätter der Aloe aufgeschlitzt hatte, mit einem flachen Stück Holz den geleeartigen Saft herausdrückte und ihre Helferin mit Gesten anwies, den Saft sanft auf den großflächigen Abschürfungen der Verletzten zu verteilen.
    Die dritte Sangoma kämpfte sich eben durch abgebrannte Büsche, glimmende Baumstämme wieder zu ihnen durch. Auf einem größeren Blatt in ihrer Handfläche lag Baumborke mit einer weißen Aschekruste. Lena nahm sie ihr ab, breitete sie auf einem flachen Felsen aus und zerrieb die Borke mit einem faustgroßen Stein zu braungrauem Puder. Den mischte sie mit ein paar Tropfen Wasser und dem Saft der Aloe zu einer weichen Paste und strich sie auf Thandis Kopfwunde. Thandi stöhnte, biss sich auf die Lippen, bis Jill die Blutstropfen hervortreten sah.
    »Was ist das, Thandi?«, fragte Jill. »Bist du sicher, dass es … in Ordnung ist?« Sie sprach Englisch, sehr schnell, in der Hoffnung, dass Lena sie nicht verstehen würde.
    Dr. Thandile Kunene brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Es ist okay«, flüsterte sie heiser, »meine Großmutter ist eine der Besten. Das ist die Rinde vom Korallenbaum, dem Kaffirbaum, sie enthält Alkaloide, die antibakteriell, schmerzstillend und entzündungshemmend sind. Ich bin in besten Händen …«
    Plötzlich hörte Jill Stimmen und drehte sich um. Jonas, gefolgt von mehreren Farmarbeitern, watete durch die Furt. Er trug den großen Verbandskasten aus dem Haus unterm Arm. »Jonas, Gott sei Dank, wo bleiben Polizei und Krankenwagen?«
    Als Antwort schob sich ein Polizeiauto auf dem anderen Ufer aus dem Busch. Gefolgt von zwei weiteren und zwei Krankenwagen, rumpelten sie den Weg zum Grillplatz hinauf. Hinterher sollte sie erfahren, dass die Feuerwehr weiter unten auf den engen Wegen stecken geblieben war. Ein Pressefotograf kam auf einem leichten Motorrad. Er begann sofort, Bilder zu schießen. Innerhalb der nächsten Stunde waren alle Verletzten abtransportiert. Die zwei Notärzte rührten die Blätterumschläge und Pasten Lenas nicht an. Jill stand neben Thandi, stützte sie. Einer der Ärzte untersuchte die Kopfwunden der Zulu. »Ist das Korallenbaumborke?«, fragte er, und als Thandi nickte, ließ er die Finger davon. »Gut, das reicht, bis Sie ins Krankenhaus kommen«, murmelte er, half der Verletzten auf eine Trage und gab das Zeichen, dass sie abtransportiert werden konnte. Der Fotograf sprang um sie herum und blitzte seine Bilder.
    Nachdem sie sich einen Überblick verschafft hatten, vernahm die Polizei Jill als Erste. Sie wiederholte Popis Worte, dass er einen Mann erkannt hatte, der zu Len Pienaar und seiner Sicherheitsfirma gehörte. Dann erzählte sie ihnen von Christopher Williams und dem Auftrag, den er hatte. Die Mienen der zwei verhörenden Polizisten, einer war ein Zulu, der andere ein Weißer, versteinerten, als sie das hörten. Sie warfen sich einen Blick zu. Der Weiße lief den Weg hinunter, stürmte durch die Furt und hastete hinauf zu dem Polizeiwagen. Dort sprach er lange in sein Funkgerät.
    Danach kam das Fahrzeug der Spurensicherung. Fünf Mann machten sich daran, die verbrannte Wildnis zu durchkämmen. Der ehemals so saftig grüne Buschurwald war eine verkohlte, rauchende Wüste, aus der hier und da schwarz verbrannte Baumstämme ragten, manche wunderbarerweise noch mit einem letzten Rest der grünen Blätterkronen. Über allem lag ein feiner Schleier schwarzer Rußpartikel. Kein Vogel war zu sehen. Die Brut einer ganzen Saison war zerstört worden, wohl auch die des

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