Ein Land, das Himmel heißt
anderen Ufer aus der Furt herausführte, war nicht sehr steil, aber war durch den Wolkenbruch schon so glitschig geworden, dass sie sich an Büschen und aufragenden Steinen hochziehen musste. Mehr als zwanzig Minuten dauerte diese Sintflut, versiegte allmählich zu einem Tröpfeln, hörte auf, und nach einer halben Stunde schien die Sonne wieder.
Und dann kamen sie aus dem Rauch wie Schemen aus der Unterwelt, schwarz verrußte Gestalten, blutend, hustend, manche von ihnen waren so gut wie nackt. Thandi trug nur noch eine Unterhose, ihre Haare waren bis auf wenige struppige Büschel verbrannt, die Kopfhaut dazwischen verkohlt, teilweise bis aufs rohe Fleisch. Eine blutende Schramme zog sich von der Stirn über ihre Wange bis zum Kinn. Ihre Schönheit war zerstört.
»Oh Thandi«, stammelte Jill, wagte nicht, ihre Kindheitsfreundin zu berühren, aus Angst, ihr wehzutun.
Die Verletzungen der anderen – außer Popi und Thandi rund ein Dutzend seiner Leute – waren ähnlich. Zwei Männer stützten einen dritten, der leblos zwischen ihnen hing, seine Füße schleiften auf dem Boden.
»Welcher Teufel hat das Feuer gelegt?«, krächzte sie. Der stechende Brandgeruch reizte ihre Kehle. »Ist da noch jemand drin?«
Popis Stimme war kaum zu verstehen, als er antwortete. »Kerl gehört zu Pienaar«, keuchte er heiser, »kenn seinen Namen nicht … fünf oder sechs andere … Strohballen … benzingetränkt.« Er krampfte sich in einem Hustenanfall zusammen. Als er sich wieder aufrichtete, sprang sein Blick von Gesicht zu Gesicht, dann fielen seine Schultern erleichtert nach vorn. »Alle hier«, brachte er heraus, »keiner mehr drin …«
»Hast du Verbandszeug?« Auch Thandi hatte kaum Stimme. Sie sank auf einen Stein, legte die Arme auf die Knie, zuckte zusammen, als sie eine ihrer Brandwunden berührte, richtete sich schwerfällig wieder auf. Jills Verbandszeug reichte natürlich kaum, das Brandgel war im Nu aufgebraucht, die Schmerztabletten würgten die Verletzten ohne Wasser hinunter.
»Aii, Thandile«, kreischte eine schrille Stimme hinter ihnen, »aii, Umzukulu … meine Enkelin.«
Jill wirbelte herum. Lena! Schreiend hastete die alte Zulu den Weg hinauf, der Affenkopf, den sie noch immer trug, hüpfte auf und ab, als wäre er lebendig. Ihre langen Röcke waren schwer von Lehmwasser. Sie musste ebenfalls durch die Furt gewatet sein. Zwei ihrer Sangoma-Lehrlinge, beides junge Frauen, folgten ihr. Mit einem knappen Befehl auf Zulu scheuchte sie die zwei angehenden Sangomas ins Gebüsch, schrie ihnen noch etwas hinterher, dann wandte sie sich den Verletzten zu. Aus ihrem Bauchbeutel nahm sie Kräuter, frische und eine Hand voll getrockneter, legte sie beiseite. Dann griff sie unter die Lagen ihrer Umhänge und zog große lappige Blätter darunter hervor, die sie offensichtlich direkt auf der Haut getragen hatte. Sie zerknautschte sie sanft in den Händen, drapierte sie dann mit zarten Fingern auf die Wunde im Gesicht ihrer Enkelin Thandi. Jill erkannte an dem unangenehmen Geruch, dass es Blätter der Iloyi, der wilden Datura, waren.
Minuten später kehrten die jungen Frauen zurück, die außer Perlgehänge um den Hals und in den Haaren nur ihr Kuhfell über ihren Oberkörper geworfen hatten und einen bunten Stoffrock trugen. Die Jüngere von ihnen war groß und kräftig wie ein Mann. Sie schleppten Blätter vom Rizinusstrauch heran, abgeschälte Borke des Korallenbaums, Wurzeln verschiedener Pflanzen, fleischige Aloeblätter.
»Kann ich helfen?«, fragte Jill, fast schüchtern, und als Lena den Kopf schüttelte, trat sie zurück, um die alte Sangoma ungehindert arbeiten zu lassen.
Die Alte untersuchte die Kopfwunden Thandis, rief ein paar Worte über ihre Schulter, und die größere der beiden Sangoma-Lehrlinge verschwand im abgebrannten Busch. Lena und ihre Gehilfin arbeiteten schweigend. Die Lehrlings-Sangoma zerkleinerte Blätter und Wurzeln vom Rizinus, mischte sie mit etwas Wasser, das sie in einer abgeschnittenen Plastikflasche mit sich führte. Die Masse strich sie auf die offenen Wunden der Verletzten, die auf dem Boden lagen oder saßen, doch nicht, bevor Lena die Konsistenz der Masse geprüft hatte, indem sie sie zwischen ihren Fingern zerrieb, an die Nase führte. Die alte Zulu flößte jetzt Popi, der auf dem Rücken schwer verbrannt war und offensichtlich stärkste Schmerzen litt, einen braunen Sud ein. Popi schluckte mühsam, verzog sein Gesicht, fing dabei ihren Blick auf.
»Bitte, lass
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