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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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sie aus, und danach ist Schluss …«
    Sie wurde von einem harten Klopfen an der Haustür unterbrochen, das durchs Haus hallte. Roly und Poly sprangen wütend bellend gegen die Küchentür. Um diese Zeit hielten sie sich in der Küche und in einem eingezäunten Bereich im Hof auf, erst nachts wurden sie im Haus freigelassen.
    »Wer ist es, Nelly?«, rief Carlotta und sah auf die Uhr. »Ich erwarte niemanden – oder habt ihr Freunde eingeladen, Jill? Ich wünschte, ihr würdet mir rechtzeitig Bescheid sagen. Dann muss Nelly noch einen Salat machen und mehr Fleisch aufschneiden … Nelly!« Rasch prüfte sie ihren Lippenstift, zupfte an ihren Haaren, eine blinkende Messerklinge als Spiegel benutzend.
    Jill schüttelte den Kopf. »Nein, wir haben niemanden eingeladen …« Warum pochte ihr Herz so stark? Warum waren ihre Hände feucht? Sie verschränkte sie ineinander.
    Sekunden später schoss Nelly in völlig uncharakteristischer Schnelligkeit auf die Terrasse. »Polizei«, japste sie, rollte panisch die Augen, »die Schlimmen!« Ihre Haut hatte einen eigenartigen, aschfarbenen Unterton angenommen, die Hände flatterten wie aufgescheuchte Vögel.
    Jill legte einen Arm um ihre bebenden Schultern. »Beruhige dich, Nelly, bestimmt ist einer von uns zu schnell gefahren, oder irgendeiner von deinen Leuten hat sich geprügelt …« Sie glaubte es selbst nicht.
    Doch die Zulu schüttelte wild den Kopf, ruderte mit den Armen wie eine Ertrinkende und riss sich los. »Nicht Verkehrspolizei – die Schlimmen!«, war alles, was sie durch ihre zitternden Lippen herausquetschte. Die Aufregung blockierte offensichtlich ihren englischen Wortschatz. Sie floh in den Schatten und verschwand. Jill nahm an, dass sie über den Weg zu ihrem eigenen Haus gelaufen war, das ein paar hundert Meter weiter im Dorf der Farmarbeiter lag. Besorgt sah sie ihr nach, atmete zu schnell, legte instinktiv ihre Hand über ihr Baby.
    Mit einem Krachen wurde die Fliegengittertür hinter ihr aufgestoßen, feste Schritte versetzten den Holzboden in Schwingungen. Beklommen wandte sie sich um. Zwei Männer standen vor ihr, doch keiner von ihnen war in Uniform, beide trugen Safarianzüge mit offenem Kragen. Kurz hielten sie den drei Anwesenden ihre Ausweise vor die Nase und ließen sie sofort wieder in den Brusttaschen verschwinden. »Parker«, sagte der größere und wies auf seinen Kollegen. »Das ist Mr. Cronje. South African Police. Guten Abend.« Er erwähnte keine Rangbezeichnung.
    Und dann teilten sie ihnen mit, dass Thomas, Jills Bruder, durch eine Bombe getötet worden war.
    Carlottas Weinglas klirrte auf den Boden und zersprang. »Oh«, seufzte sie und fiel auf einen Stuhl.
    Jill sprang auf, starrte die beiden Männer an. Der sich als Parker vorgestellt hatte, sah gut aus. Er war etwas über mittelgroß und breitschultrig, hielt sich militärisch gerade. Die Lachfältchen um die grauen Augen und das offene Gesicht wirkten vertrauenerweckend. »Wie bitte?«, fragte sie. Sie konnte das unmöglich richtig verstanden haben.
    Doch seine Antwort machte unmissverständlich klar, dass sie genau das meinten. Thomas war mit einer Paketbombe in die Luft gejagt worden, und sie kamen nicht, um ihr Beileid auszusprechen, sie kamen, um Thomas’ Zimmer zu durchsuchen und die Familie so lange zu verhören, bis sie sicher waren, dass keiner von ihnen gewusst hatte, dass Thomas dem militanten Flügel des African National Congress angehörte.
    Jill fühlte sich, als wäre sie gegen eine Wand gelaufen. Wie betäubt stand sie mit hängenden Armen da und versuchte das zu verarbeiten, was sie gerade gehört hatte.
    »Wo ist sein Zimmer, zeigen Sie uns den Weg«, verlangte Mr. Parker.
    Sprachlos stolperte sie ihnen voran, wies auf die Tür, die zu Toms eigenem Apartment führte. Mr. Parker stieß sie auf, ließ seinen Kollegen eintreten und schloss sie hart vor Jills Nase. Für eine lange Minute stand sie vor der geschlossenen Tür, nur summende Leere im Gehirn und keines klaren Gedankens fähig. Verzweifelt presste sie beide Hände an die Schläfen. Was sollte sie tun? Mama hing halb ohnmächtig in ihrem Stuhl und wimmerte immer nur das eine Wort. »Neinneinneinneinnein …« Nur ab und zu sog sie rasselnd Atem ein und stieß ihn mit dem gleichen monotonen »Neinneinnein« wieder aus. Endlos.
    Jill hielt sich die Ohren zu. Sie musste ihren Vater finden! Verfolgt von diesem gebetsmühlenartigen Neinneinnein, rannte sie durchs Haus, stieß jede einzelne Tür auf und

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