Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
Licht aus der Nacht, und sie merkte erfreut auf. Aber kurz darauf fuhr ein Mann vorbei, ein Zulu, aufrecht auf einem altersschwach quietschenden Fahrrad sitzend, einen aufgespannten Regenschirm in der Hand tragend, und verlor sich gleich darauf wieder hinter dem Regenvorhang Er hatte sie nicht bemerkt. Sie war froh darum.
    Einschläfernd rauschte der Regen herunter. Sonst war es still. Draußen herrschte dichte, drückende Dunkelheit, die sie wie eine tiefschwarze Mauer umgab. Sie konnte nichts sehen, nicht einmal das Zifferblatt ihrer Uhr. Nach einer Weile schloss sie die Augen. Es machte keinen Sinn, sie offenzuhalten.
    Im nächsten Moment brach die Hölle los. Hammerschläge hallten durch ihren Kopf, sie schreckte jäh hoch, die Pistole polterte auf den Boden. Sie riss ihre Augen auf und stellte verwirrt fest, dass die Schwärze draußen einem fahlgrauen Licht gewichen war, das den nahen Morgen ankündigte. Ein schneller Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie mehrere Stunden gedöst und jedes Gefühl für die Zeit verloren haben musste. Wieder hämmerte jemand brutal aufs Auto, es dröhnte so laut, als wäre ihr Schädel ein Resonanzboden. Mit rasendem Puls richtete sie sich auf.
    »Jill!«, hörte sie dann eine dumpfe Stimme. Es war Martins. Sein Gesicht hing wie das des nächtlichen Affenbesuchs vor der Frontscheibe, nur richtig herum. »Alles okay?«, fragte er. »Du siehst mitgenommen aus.« Seine Nasenflügel waren zusammengekniffen, und seine käsige Farbe zeigte deutlich, wie bösartig der Kater sein musste, der über ihn hergefallen war.
    Gönn ich dir von Herzen, dachte sie rachsüchtig und öffnete die Tür. »Natürlich ist alles okay«, antwortete sie mit gespielter Fröhlichkeit, »warum auch nicht? Ich schlaf gern allein im Auto auf einer einsamen Landstraße mitten in Afrika.« Ums Verrecken würde sie nicht zugeben, dass sie vor Angst kaum ein Auge zugetan hatte und ihr bei jedem Geräusch vor Schreck fast das Herz stehen geblieben war. Leise aufstöhnend stieg sie aus. Ihr Rücken schmerzte, die Beine waren steif, und in ihrem Kopf hämmerte ein wütender Specht. Sie bauschte ihr zerknittertes Seidenkleid auf, wirkte wie ein eben geschlüpfter, pfirsichfarbener Schmetterling, dessen Flügel sich noch nicht entfaltet hatten.
    »Noch sauer?«, fragte er treuherzig und setzte seinen Dackelblick auf. »Tut mir Leid.« Er griff nach ihr, aber sie wich ihm aus.
    »Fass mich ja nicht an! Und was tut dir denn Leid? Deine Worte? Dass du blau warst? Dass du mich hier allein hast sitzen lassen? Was davon?« Kriegerisch schob sie ihr Kinn vor. Die Frage nach dem verschwundenen Geld sparte sie sich für später auf.
    »Alles, was du willst, und ganz besonders, dass ich dich hier allein gelassen habe, es war unverzeihlich, gefährlich und furchtbar dumm«, war seine entwaffnende Antwort. Schief gelegter Kopf, seelenvoller Augenaufschlag.
    Gleich wedelt er mit dem Schwanz, dachte sie, konnte aber ein winzig kleines Lächeln nicht unterdrücken, das von ihm sofort mit einem Strahlen quittiert wurde. »Wie bist du nach Hause gekommen?«, fragte sie streng. So leicht würde er ihr nicht davonkommen. Dazu war die Gelegenheit zu gut.
    »Ich hab es irgendwie bis zur Hauptstraße geschafft, und Bob Meyers, der neue Besitzer von Malcolms und Jennys ehemaliger Farm, hat mich heute früh am Straßenrand aufgelesen und mitgenommen … Bitte, sei wieder gut, ja?«, bettelte er, wagte es, ihr einen schnellen Kuss auf den Mund zu geben, und als sie nicht zurückzuckte, gleich noch einen, längeren. »Und bevor du etwas sagst, ich verspreche, dass ich mit dem Trinken aufhöre, heute noch.« Er hob die Schwurhand.
    »Dann verspreche ich dir, dass wir nach Umhlanga Rocks ziehen«, hörte sie sich zu ihrem maßlosen Erstaunen antworten, und als Martin sie jubelnd in den Arm nahm und über und über mit Küssen bedeckte, war es zu spät, einen Rückzieher zu machen. Verwirrt überlegte sie, ob ihre spontane Reaktion nicht der tatsächliche Ausdruck ihrer eigenen Gefühle war. Hatte auch sie Angst bekommen, einfach so, ganz allgemein? Brauchte sie jetzt auch Gitter vor ihren Fenstern, einen elektrischen Draht, um den Zaun zu sichern, eine Waffe, jedes Mal, wenn sie das Haus verließ, um sich sicher zu fühlen? Einigermaßen sicher. Sie gestand sich ein, dass sie schon lange keinem Zulu, der am Wegrand auf eine Mitfahrgelegenheit hoffte, diese angeboten hatte, wie sie es früher als normal angesehen hätte. Noch gab es keinen Zaun,

Weitere Kostenlose Bücher