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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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aufleuchten, malten tanzende Schatten auf die Badezimmerwände. Wohlig seufzend lehnte sie sich im lauwarmen Wasser zurück.
    Plötzlich knurrte Dary. Fragend blickte sie über den Badewannenrand. Unter seinen Pfoten wand sich eine daumengroße Kakerlake, eine zweite fiel eben daneben. Erstaunt verdrehte sie den Hals, um herauszufinden, woher die Insekten kamen. Ein Geräusch wie das Platschen großer Regentropfen auf Wasser lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die Wanne. Und dann sah sie es. In ihrem Badewasser strampelte bereits mehr als ein Dutzend glänzend brauner Kakerlaken, und stetig stürzten sich mehr hinein. Sie sah zur Decke. Aus einem Spalt ergoss sich ein Strom panischer Schaben, landeten vor ihr im Wasser, bildete bereits eine zusammenhängende Schicht, auf der die nachkommenden Tiere kopflos herumkrabbelten. Es raschelte, knackte, und eine bestieg kratzend ihren Bauch.
    Sie war in Afrika auf einer Farm geboren und aufgewachsen, nichts konnte sie so schnell erschüttern, aber die Bilder vom verdreckten Strand, dicker, fetter Ratten, Heerscharen sich ringelnder Mambas wirbelten in ihrem Kopf durcheinander, Kakerlaken regneten auf sie herunter, und nun hatte die eine ihren Bauch erklommen und saß auf ihrem Nabel. Aus schwarz glitzernden Augen starrte das Insekt sie an, seine Fühler kitzelten ihre Haut. In diesem Moment bewegte sich Christina, trat gegen ihre Bauchdecke, die Kakerlake purzelte herunter. Unverdrossen hakte sie ihre Beine in Jills Bauchhaut und kraxelte wieder herauf.
    Das war zu viel, sogar für sie. »Martin!« Wie ein springender Wal schoss sie aus dem Wasser und machte einen Satz aufs Trockene.
    Sekunden später stürzte er herein. »Was ist denn hier los?«
    Mit ausgestrecktem Arm wies sie auf die Wanne. »Sämtliche Kakerlaken Natals versuchen gerade, in meinem Badwasser Selbstmord zu begehen, ruf den Kammerjäger, der soll das Haus auseinander nehmen.« Sie wickelte sich in ein Badelaken ein und lief ins Schlafzimmer, trat dabei auf eins der braunen Insekten, das unter die Fußbodenleiste zu entkommen suchte. Es knirschte, und ein buttrig weicher Klecks mit zappelnden Beinen und Flügeln klebte unter ihren nackten Füßen.
    Martin kletterte auf den Wannenrand und untersuchte die Badezimmerdecke. »Da haben wir’s! Die Mistviecher leben im Dach in der Nähe des Boilers. Auch in der Küche war ein Spalt in der Decke. Ich hab hineingesprüht. Offenbar sind sie zu dir geflohen. Wir müssen das Haus sanieren lassen. Ruf am besten Irma an und frag, ob wir für ein paar Tage im Spatzennest unterschlüpfen können.«
    Noch am selben Abend zogen sie um.
    »Es wird zwei Tage dauern, und wir sollten den Teppich herausnehmen. Man sagte mir, dass sie auch darunter ihre Nester haben«, berichtete Martin. »Wir müssen das Haus natürlich neu streichen lassen, am besten auch gleich von außen. Ich krieg von diesem kranken Gelb Albträume. Außerdem ist die Küche eine Katastrophe, wir brauchen unbedingt neue Schränke. Und der Videorecorder liegt im Sterben«, setzte er hinzu.
    Sie hatte nur genickt.
    Am nächsten Morgen, Martin hatte das Haus schon verlassen, frühstückte sie auf Irmas Veranda direkt über dem Meer. Sie hatte schlecht geschlafen, das Brüllen der Brandung, der Donnerschlag, wenn sie auf die Felsen traf, hatte sie wach gehalten. Das Meer funkelte, weit draußen flatterte ein Schwarm weißer Möwen, zeigte den Anglern, wo heute Fischschwärme standen. Das Boot des Natal Sharksboard war unterwegs, um die Hainetze zu kontrollieren, Sportangler röhrten mit PS -starken Außenbordmotoren durch die Brandung. Obwohl es erst halb sieben war, herrschte schon reges Treiben auf dem Strand. Jogger, von ihren Hunden begleitet, liefen am Wasserrand, zwei junge Frauen in hautengen, schreiend bunten Aerobic-Outfits, Gewichte in jeder Hand tragend, rannten auf der Promenade unter ihr vorbei. Sonnenschirme geschultert, zogen Urlauber mit Sack und Pack zu den Felsen. Der Turm der Lebensretter war bereits bemannt, die Badezone gemäß der Strömung, die an diesem Tag vorherrschte, mit Schildern markiert.
    Drei schwarze Frauen, alle drei in Lagen von schwarzen Tüchern gewickelt, die Gesichter mit gelbbrauner Tonerde beschmiert, schlenderten gemächlich über den Strand. Ihre Blicke vor sich auf den Sand geheftet, spießten sie Abfälle auf lange, nadelspitze Stöcke. Aus der Entfernung erinnerten sie an Krähen, die im Müll pickten. Jill dachte an die sterbende Ratte, nahm sich vor, nachher mit Neil

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