Ein Land, das Himmel heißt
Tatsache, dass alle seine Ausgaben von den Courts bezahlt wurden, sollte dem Nachdruck geben.
Obwohl Nelly nicht unvermögend war. Jill erinnerte sich an die Sache mit dem Fernseher, wusste, dass diese Abende immer noch stattfanden. Doch nun servierte Nelly auch noch Tee und kleine Kuchen, hatte sich von dem Erlös einen Transistoren-Radiorecorder gekauft und veranstaltete Tanzabende für die Dorfjugend. Das ermöglichte ihr, jeden Monat eine beachtliche Summe in einen Beerdigungsfonds einzuzahlen, den sie mit den anderen Farmarbeiterfrauen gegründet hatte, damit einmal genug da sein würde, um ihr einen würdigen Abgang zu garantieren.
Als Jill das herausgefunden hatte, argumentierte sie, dass es Nelly doch eigentlich egal sein könne, in welchem Rahmen ihr Begräbnis stattfinden würde. »Leiste dir lieber jetzt etwas von dem Geld. Du brauchst einen neuen Wintermantel und wie lange möchtest du schon das schöne Geschirr haben, das du bei deinem Besuch damals in der Stadt gesehen hast?«
Nelly hatte erst nicht geantwortet, druckste herum, suchte sichtlich nach Worten. »Weiße können das nicht verstehen.« Ihre Augenlider senkten sich, der Mund zog sich in die Breite, die Winkel eingekniffen. Die Zulu drehte ihr den Rücken zu.
Doch dieses Mal hatte sie sich nicht abweisen lassen, hatte nachgebohrt. Endlich bekam sie die Antwort. »Unsere Ahnen werden es sehen, sie werden glauben, ich war nichts wert.«
Inzwischen war Nellys Anteil am Beerdigungsfonds von beruhigender Größe, wie man ihr zutrug. »Habt ihr ein paar Brötchen für mich und etwas zu trinken?«, fragte sie jetzt. »Ich werde den Tag im Gelände fotografieren.«
Nelly schüttelte den Kopf. »Nur Brot, keine Brötchen, die gibt es erst später.« Sie stellte ein großes Brett mit zwei frischen, dampfenden Weißbroten vor sie hin, öffnete den Eisschrank, nahm die Butter heraus, verschiedene Käse und deckte sie vor Jill auf.
Sie lehnte sich vor. »Was ist das da?« Sie deutete auf einen Topf. »Riecht nach Curry.«
»Curryhuhn«, nickte Nelly, »von gestern.«
»Prima. Mach es mir warm. Ich nehme es in der Isoliertasche mit und mache mir später Bunny Chow.«
»Bunny Chow«, kicherte Bongi und schüttelte sich.
Jill schnitt die Kappe des runden Weißbrotes ab, holte mit der Hand die weiche Mitte heraus. Da hinein würde sie später den warmen Curry füllen. Das weiche Innere bestrich sie mit Butter und Honig und wickelte es ein. Brot und eine Flasche Mineralwasser legte sie in einen Korb.
»Was willst du fotografieren?«, fragte Nelly, tat zwei Mangos in den Korb und stellte den heißen Topf in die Isoliertasche.
»Einen sehr seltenen Nektarvogel. Eigentlich kommt er hier nicht vor, nur oben am Sambesi, aber kürzlich hat man ihn auch in Botswana entdeckt. Es wäre eine tolle Sache, wenn ich ihn als Erste hier fotografieren könnte. Vielleicht habt ihr ihn ja auch schon gesehen? Schillernd grüner Kopf und Halskrause, scharlachrote Brust?«
»Nein«, sagte Nelly, »fährst du zum Wasserloch?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich hab den Scharlachbrust-Nektarvogel in dem verwilderten Teil am Fluss gesehen. Ich war seit Jahren nicht mehr dort, er scheint mittlerweile völlig unzugänglich zu sein. Ideal für Vögel. Am späten Nachmittag bin ich zurück.« Sie hängte sich die Kameratasche um und packte den Türgriff.
»Geh da nicht hin.« Nellys Blick war abgewandt, ihre Schultern hochgezogen.
In der geöffneten Fliegentür drehte Jill sich noch einmal herum. »Wieso nicht?«
»Geh nicht hin«, wiederholte Nelly, schob Bongi grob zur Seite, entriss ihr den Teigkloß, klatschte ihn auf den Tisch und begann ihn tüchtig durchzuwalken. Der Kloß wurde unbarmherzig geschlagen, geworfen, geknetet. Nur das rhythmische Klatschen unterbrach die Stille zwischen ihnen, und die Wucht, mit der Nelly den Teig schlug, veranlasste Jill sich zu fragen, wen sie da verprügelte.
»Nelly, warum nicht? Sag es mir.« Es war eine Warnung, dessen war sie sich sicher, aber wovor? Weswegen sollte sie nicht dort hingehen? Auf ihrem eigenen Land?
Das breite Gesicht der alten Zulu verschloss sich, wie Jalousien senkte sie die Lider, und Jill kam es vor, als wäre Nelly hinter einer Tür verschwunden. »Nelly? Was meinst du? Ist etwas vorgefallen?« Für einen Augenblick stand sie noch in der offenen Fliegentür, wartete auf eine Erklärung. Vergeblich, sie kam nicht. »Bis dann, am späten Nachmittag bin ich wieder da. Bongi, bitte trag mir den Korb ins
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