Ein Land, das Himmel heißt
verlaufenden massiven Felsenriffen geschützten Zone, in der alle die schwammen, die sich nicht in die meterhohen Brecher des Badestrandes wagten. Vor ihr tanzten zwei blaue Plastiktüten ein Menuett im Wind. Unmutig bemerkte sie den Schmutz, der bei der letzten Flut gestrandet war. Nicht nur das, was das Meer freigab – Muscheln, abgerissene Korallen, grüner Blasentang –, sondern allerlei Krimskrams der menschlichen Abfallgesellschaft. Ein breiter Streifen Unrat zog sich am Saum des Wassers entlang. Verschiedener Plastikabfall, Bierdosen, Bierdosendeckel, hier und da ein verwesender Fisch, alles vermischt sich mit abgerissenem Zuckerrohr und in der Hitze stinkendem Seetang. Voller Ekel entdeckte sie ein paar Meter vor den riesigen Regenwasserabflüssen, die direkt auf dem Strand endeten, eine herumkriechende, verletzte Ratte.
Sie drehte auf den Hacken um, nahm Dary an die Leine und fuhr schnurstracks zum Gemeindeamt. Dort schilderte sie einem fettig glänzenden älteren Mann, der trotz der Klimaanlage übermäßig schwitzte, den Zustand des Strandes. »Umhlanga Rocks lebt vom Tourismus, es ist ein Skandal, wie der Strand aussieht.«
Er kaute irgendetwas, beförderte es mit der Zunge auf eine Seite, wo es als Beule in seiner Wange verblieb. »Daran sind unsere neuen Brüder schuld, die sich als illegale Landbesetzer an den Ufern des Umhlanga niederlassen und ihren Abfall einfach in den Fluss werfen. Der trägt ihn zur Lagune, dann weiter ins Meer, und durch die vorherrschende Strömung wird der Dreck wieder an Land gespült, und zwar direkt vor all die sündhaft teuren Hotels«, grinste der Mann schadenfroh und kaute genüsslich weiter. Dabei schrieb er etwas in das offene Buch, das vor ihm lag.
»Warum unternehmen die Hotelbesitzer nichts?«
»Weil die Herren meinen, dass die Gemeinde dafür zuständig ist. Die Gemeinde jedoch vertritt die Ansicht, dass die Hotelbetreiber großen Profit aus ihrer Lage am Strand ziehen und deshalb zur Kasse gebeten werden sollten. Geht wie ein Pingpongspiel hin und her«, freute er sich, »alle warten immer auf die nächste hohe Flut oder den nächsten Wolkenbruch, die den Strand auf natürliche Weise reinigen werden.«
»Wann tagt der Gemeinderat? Ich möchte eine Petition einreichen. Ich finde den Zustand empörend.«
»Nur zu, junge Frau, nur zu. Mischen Sie die mal ordentlich auf, das ist nämlich noch lange nicht alles.« Er lehnte sich vor. »Überall, wo sich die Illegalen niederlassen, fressen sich die Ratten an ihrem Dreck dick und rund und kriegen viele dicke kleine Ratten. Das wiederum«, er grinste unangenehm, »das wiederum lieben die Mambas. Sie werden auch dick und rund und produzieren viele, viele kleine Mambas. Und die beißen dann die illegalen Siedler tot. Das nennt man Recycling.« Er lachte lauthals, deutete zur Uhr, die fünf Minuten vor fünf zeigte. »Wir schließen«, sagte er, klappte sein Buch zu und warf den Bleistift hin.
Angewidert starrte ihn Jill an. »Kettenreaktion nennt man das«, sagte sie und ging hinaus.
»Ist mir auch egal, ich hör hier in zwei Monaten auf«, rief er hinter ihr her. Wütend fuhr sie nach Hause. Martin war überraschenderweise schon da, saß in Badeshorts im Patio am Swimming-Pool, las die Abendzeitung und nippte an einem großen Whisky. Sie lief in seine Arme. »Wo kommst du so früh her?« Sein Atem roch stark nach dem Alkohol, das Glas in seiner Hand war fast leer.
»Hatte keine Lust mehr, ich weiß ja gar nicht mehr, wie du aussiehst …«, er küsste sie ausgiebig, »… und schmeckst …«, wieder ein langer Kuss, »… und überhaupt …«
»Ma’m, wir haben Ärger«, verkündete Zanele hinter ihnen, und sie fuhren auseinander, »massenweise Kakerlaken in der Küche.«
Fluchend stand Martin auf. »Wir müssten das Haus eingasen lassen oder was immer man heute macht, um diese Pest loszuwerden. Wir mussten vor Jahren für zwei Tage ausziehen, dann wurde ein Zelt über das ganze Haus gestülpt und Giftgas hineingeleitet. Brachte alles um. Aber als Notmaßnahme spritze ich erst mal in ihre Nester. Halt du dich aus dem Weg, Jill.«
»Ich bade schnell und zieh mich um, bis dahin bist du sicher fertig. Wir essen draußen, da riechen wir von dem Zeug nichts.« Kurz darauf lag sie in ihrer großen Badewanne, Dary streckte sich auf dem Badevorleger aus, vor dem vergitterten Fenster sang der Malachitnektarvogel im Bougainvilleabusch sein schrilles Lied. Die letzten Strahlen der Sonne ließen die Blüten feurig
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