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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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sie an das Zuschlagen von Gefängnistüren – nie würde sie sich daran gewöhnen. Sie schaute zurück. Umringt von ihren vier Jungen, sah die Warzenschweinmutter ihr nach. »Bis dann, Pongo«, rief sie, denn für sie gab es da keinen Zweifel. Das Lächeln lag noch auf ihren Zügen, als sie kurz darauf im Carport parkte. Der Wagen ihrer Mutter war nicht da, und die Tür zu den Pferdeställen stand offen. »Ist mein Vater ausgeritten?«, rief sie dem Stalljungen zu.
    »Yebo, Ma’m, zu den Ananasfeldern. Großer Ärger da, Käfer fressen die Blüten.«
    Alle Jahre wieder, dachte sie, immer vernichtet irgendein Ungeziefer die Ernte, oder, wie vor ein paar Jahren, bricht die Maul- und Klauenseuche aus, oder es ist zu trocken, zu heiß, zu kalt, zu nass. Sie seufzte. Früher hatte sie sich nie um solche Dinge gekümmert. Es wurde auch nicht von ihr verlangt. Farmarbeit war Männersache. Seit Tommys Tod aber beschlich sie häufiger das unbehagliche Gefühl, dass sie sich eines Tages damit würde auseinander setzen müssen. Wer sonst sollte die Farm übernehmen, wenn ihre Eltern keine Lust mehr hatten oder physisch dazu nicht mehr in der Lage waren? Schon lange sprach ihre Mutter, und auch ihr Vater, von einem kleinen Häuschen an der Küste des Kaps. Mamas jüngste Träume, die in ihren konkreten Ausmaßen beunruhigend waren, drehten sich um eine gemächliche Reise um die Welt. Sie beschloss, sich ernsthaft darum Gedanken zu machen, wenn Christina aus dem Gröbsten heraus war. Doch bis dahin war es noch eine Ewigkeit. Schwungvoll warf sie die Autotür zu, setzte einen Schlusspunkt unter ihre Überlegungen. Das verlockende Aroma frisch gebackenen Brotes zog vom Anbau herüber. Schnell brachte sie ihr Kleid für den Abend in ihren Bungalow, dann ging sie schnurstracks in die Küche.
    Nelly stand am großen Tisch, die Arme in die Seiten gestützt und schnauzte Bongi an, die Teig knetete. »Kräftiger, du musst das kräftiger machen, alle Blasen müssen herausgequetscht werden.« Sie rollte mit den Augen, warf die Arme theatralisch hoch. »Zu nichts nutze seid ihr jungen Mädchen.« Dann erblickte sie Jill.
    »Guten Morgen, Nelly, guten Morgen, Bongi, geht es gut?« Jill stellte ihre Kameratasche auf den Tisch und umarmte Nelly kurz. »Hat Jonas seinen Test bestanden?« Jonas hatte es unter die ersten drei seiner Stufe geschafft und schrieb die Vorbereitungsarbeiten für sein Matrik in der Schule in Empangeni.
    »Als der Beste«, strahlte Nelly, »er wird das Universitätsmatrik machen, ein berühmter Ingenieur werden und große Brücken bauen.« Sie zog einen Bogen mit ihrer Hand.
    »Kommt er am Wochenende nach Hause?«
    Ein Schatten fiel jäh über das Gesicht von Jonas’ Großmutter. »Er kommt nicht mehr oft, er muss arbeiten, sagt er, hat keine Zeit, um auf dem Feld zu helfen.« Abwesend putzte sie die ohnehin blanke Tischplatte. »Er muss sich beeilen mit seinen Studien. Ein Mann muss für seine Alten sorgen, wenn sie es nicht mehr können.«
    »Nelly, er wird viel Geld verdienen. Es wird euch gut gehen, wenn er sein Examen gemacht hat.«
    »Wann wird das sein?«, fragte die alte Zulu misstrauisch.
    »Vier Jahre, vielleicht fünf«, antwortete Jill zögernd. Nur zu deutlich konnte sie an Nellys Ausdruck ablesen, dass dieser Zeitpunkt für sie so gut wie in der Ewigkeit lag. »Es ist die beste Altersversicherung für euch«, setzte sie lahm hinzu.
    »Wer soll das Feld bestellen und die Kühe weiden, wenn wir alt sind?«, verlangte Nelly zu wissen. »Wer? Vergisst er dann, dass er ein Zulu ist? Ist es das, was sie ihm da beibringen?«
    Spontan legte sie den Arm um ihre alte Nanny. »Jonas wird nie vergessen, dass er ein Zulu ist, er wird nie seine Pflicht vernachlässigen, das weißt du. Du musst dir keine Sorgen machen.« Plötzlich stand ein erwachsener Jonas vor ihrem geistige Auge, gekleidet wie ein Geschäftsmann, ein smarter junger Mann, der in der Stadt wohnte, mit Computern arbeitete und Brücken baute. Und hier stand Nelly, seine Großmutter, die über ihre Probleme mit ihren Ahnen redete, regelmäßig den Sangoma besuchte und felsenfest glaubte, dass Tod und Verderben über sie hereinbrechen würde, wenn ihr der Iqolavogel seine schwarze Oberseite zeigte oder sie das weiße Gesicht einer Eule erblickte. »Du musst dir keine Sorgen machen«, bekräftigte sie, aber selbst in ihren eigenen Ohren klang der Satz nicht sehr überzeugend. Sie nahm sich vor, Jonas eindringlich an seine Pflicht zu erinnern. Die

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