Ein Land, das Himmel heißt
Lina jetzt, »und abends sahen wir von der Terrasse aus die zwei munteren Feuerchen wieder brennen. Martin hat eine zweite Pistole gekauft, eine fürs Haus, eine fürs Auto.« Sie nahm Linas Rat an. Glücklicherweise hatte ihre Dobermannhündin Poly vor zwölf Wochen Junge geworfen, deren Erzeuger im vergangenen Jahr Sieger aller Klassen geworden war. Den größten und frechsten Rüden suchte sie sich aus, ein Ebenbild seines Vaters, lackschwarzes Fell, goldene Markierungen, angriffslustiges Temperament. Zu Hause angekommen, führte er sich gebührend ein und jagte laut kläffend die kreischende Zanele durchs Haus.
»Er heißt Dary und tut dir nichts«, erklärte sie ihrem skeptisch dreinschauenden Hausmädchen. Zusätzlich ließen sie eine Alarmanlage in das Haus einbauen und den faustgroßen, knallroten Knopf direkt an ihr Bett montieren. Ein Schlag darauf, und die Sirene auf dem Haus würde ganz Umhlanga aufwecken.
Als sie an diesem Abend ins Schlafzimmer ging, um sich fürs Bett fertig zu machen, schien der Mond durch die offenen, durch Gitter geschützten Fenster. Mit fahlem Licht malte er Schattengitter auf Fußboden und Wände hinauf bis zur Decke, legte sie über ihren Körper, sie schienen sie zusammenzupressen. Plötzlich wurde ihr das Atmen schwer. Sie sank aufs Bett, schlang Halt suchend die Arme um ihren Bauch. Unter ihren Händen, nur durch dünne Hautschichten getrennt, spürte sie die lebhaften Stöße ihrer Tochter. Völlig unvorbereitet überflutete sie eine so brennende Liebe zu dem kleinen Wesen, dass ihr schwindelig wurde. Ihr Herz klopfte bis in die Fingerspitzen.
»Noch fünfzig Tage«, flüsterte sie, »und dann unser ganzes Leben …« Schwerfällig richtete sie sich auf, die Gitterschatten flirrten durch die Bewegung, der Alarmknopf an ihrem Bett drückte sich schmerzhaft in ihre Wade. In diesem Augenblick schob sich eine schwarze Wolke vor den Mond, und sie war allein mit ihrer Tochter, umschlossen von undurchdringlicher Dunkelheit. Der Wind wisperte in der Krone der mächtigen Natalfeige im Garten, in der Ferne donnerte die Brandung, ein Nachtvogel schrie. Es knackte.
Sie schreckte hoch, Christina trat um sich, als hätte auch sie das Knacken gehört, als hätte es sie erschreckt. Rasch stand Jill auf, um die Vorhänge vorzuziehen, die Nacht auszuschließen. Sie hob die Hand, wollte das Licht einschalten und in ihre helle Welt zurückkehren, als ein Feuer in der Schwärze draußen aufflackerte, unten auf dem leeren Grundstück. Wie Scherenschnitte geisterten die Schatten von mehreren Gestalten über die Büsche. Sie wich vom Fenster zurück, tastete nach dem Alarmknopf.
Würde so ihre Zukunft aussehen, ihre eigene und die ihrer kleinen Tochter? Würden immer mehr Feuer in der schwarzen Nacht entzündet werden, die dunklen Gestalten immer näher rücken? Der Gedanke traf sie unvermittelt. Ihre Zuversicht, die sie Lina gegenüber vertreten hatte, verschwand, und eisige Angst presste ihr Herz zusammen.
*
Einen Großteil ihrer Zeit verbrachte sie im Botanischen Garten, nachdem es ihr gelungen war, den Botaniker Dr. Max Clarke für ihren Plan, einen Vogelgarten auf Inqaba anzulegen, zu begeistern. Die von den Regenfluten zerstörte Böschung hatte sich unter Dabulamanzis magischen Händen wieder erholt. Zusammen mit Max entwarf sie einen Plan, den Hang so zu befestigen, dass er später als Brutplatz für Malachiteisvögel dienen konnte. »Unten legen wir einen kleinen See an und setzen jede Menge Fische für die Eisvögel hinein.« Jill schraffierte einen See in den Plan.
»Denk an Brutbäume für Reiher und Fischseeadler«, erinnerte Max sie, »vielleicht sollten wir einen Landschaftsarchitekten hinzuziehen. Ich hab da einen Freund, den ich fragen könnte.«
»Gute Idee. Ich möchte den Plan im Kleinen im Garten unseres Hauses in Umhlanga ausprobieren. Ich werde die Besitzerin um Erlaubnis bitten.« Sie klappte ihr Notizbuch zu. »Schluss für heute, Max, ich kann einfach nicht mehr sitzen, und Christina hat schon lange keine Lust mehr.« Lachend klopfte sie sich auf den Bauch. »He, mein Kleines, Zeit fürs Mittagessen und einen langen Spaziergang!«
»Wann kommt das Wurm?« Er hielt ihr die Tür auf.
»In dreiundvierzig Tagen – es dauert also noch eine Ewigkeit!« Zusammen gingen sie durch den Botanischen Garten, vorbei an dem See, in dessen Mitte auf einer kleinen Insel Unmengen von heiligen Ibissen brüteten. Auch auf den hohen Palmen der Umgebung saßen mindestens zwei
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