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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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unseren Bekundungen des Bedauerns, all unseren Versicherungen der Entschlossenheit, niemals ein neues Bosnien zuzulassen, all unseren Hoffnungen auf eine friedliche Zukunft des Balkans auf grausame Weise Hohn, wenn wir zulassen, dass das Kosovo zu einem weiteren Leichenfeld wird.«
    Später im selben Monat sprach ich in Großbritannien auf einer von der Ditchley Foundation veranstalteten Konferenz ausführlicher über das Thema der humanitären Intervention, indem ich deren Geschichte untersuchte. In diesem Vortrag definierte ich sie als Teil anderer Interventionen, etwa wie das Vorgehen eines Chirurgen, der eingreift, um ein Leben zu retten, oder dasjenige eines Lehrers, der die böswillige Drangsalierung eines Kindes in der Schule verhindern will. Worauf es mir ankam, war, dass Interventionen alle angehen und nicht auf den Einsatz militärischer Gewalt beschränkt sind.
    Selbst während des Kalten Krieges, erklärte ich, als die Durchsetzungsfähigkeit der UNO durch die Spaltung im Sicherheitsrat weitgehend gelähmt gewesen sei, habe es Fälle extremer Menschenrechtsverletzungen in einem Land gegeben, die zur Intervention eines seiner Nachbarn geführt hätten. So habe 1971 eine Intervention Indiens einen Bürgerkrieg in Ostpakistan beendet und Bangladesch zur Unabhängigkeit verholfen. 1978 habe Vietnam in Kambodscha interveniert, um die genozidale Herrschaft der Roten Khmer zu beenden, und 1979 habe Tansania Idi Amins ebenso unberechenbare wie brutale Diktatur in Uganda gestürzt.
    In allen drei Fällen, fuhr ich fort, hätten die intervenierenden Staaten auf grenzüberschreitende Flüchtlingsströme verwiesen, um ihr Vorgehen völkerrechtlich zu legitimieren. Aber was ihr Handeln in den Augen der Welt rechtfertigte, sei der Charakter der Regime gewesen, gegen die sie vorgingen. Und die Geschichte habe ihr Urteil im Großen und Ganzen bestätigt. Nur wenige würden heute bestreiten, dass in diesen Fällen die gewaltsame Intervention das kleinere Übel gewesen sei, verglichen mit der Alternative, Massaker und extreme Unterdrückung fortwähren zu lassen.
    Wenn Menschen in Gefahr seien, betonte ich, habe jeder die Pflicht, die Stimme zu erheben. Kein Mensch habe das Recht, auf der anderen Straßenseite einfach vorbeizugehen.
    Während wir im UN -Hauptquartier über die Notwendigkeit der Intervention diskutierten, nahmen im Herbst 1998 die Gewalttätigkeiten im Kosovo zu. Zehntausende von Albanern wurden aus ihren Häusern vertrieben. Um die Krise zu beenden, verhandelte Richard Holbrooke – damals US -Sonderbeauftragter für den Balkan – über die Stationierung von zweitausend unbewaffneten Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ( OSZE ), die den fragilen Waffenstillstand überwachen sollten. Und am 23. September verabschiedete der Sicherheitsrat die Resolution 1199, die den Rückzug der jugoslawischen Truppen aus dem Kosovo verlangte. Die NATO drohte ihrerseits mit Konsequenzen, falls Miloševi ć die Resolution nicht befolgte. Es überraschte jedoch niemanden, dass Miloševi ć seine Kampagne unbeirrt fortsetzte.
    In meinen Berichten an den Sicherheitsrat wies ich mit zunehmendem Nachdruck auf die eskalierende Gewalt hin und machte die jugoslawischen Machthaber für die zunehmenden Mordaktionen verantwortlich. Am 4. Oktober beschrieb ich die Geschehnisse als »Kampagne des Grauens und der Gewalt«. Später am selben Tag erhielt ich einen Brief des jugoslawischen Außenministers, der die Kluft zwischen Belgrad und der Weltgemeinschaft offenbarte. Der erste Satz des Briefs lautete: »Im Kosovo herrscht Frieden«, und die »volle Bewegungsfreiheit« sei sichergestellt. Als ich einige Tage darauf Miloševi ć anrief, um ihn zur Erfüllung der Forderungen der UNO zu drängen, wiederholte er diese Behauptung. In den letzten beiden Wochen, erklärte er, habe es »im Kosovo keinen Konflikt« gegeben. Als Dreingabe fügte er hinzu, die Probleme bestünden »nur mit den Albanern«.
    In derselben Woche sprach ich mit dem britischen Außenminister Robin Cook, der Parallelen zu den schlimmsten Akten ethnischer Gewalt in Bosnien zog. Aufgrund unser beider Erfahrungen mit Miloševi ć stimmten wir darin überein, dass dieser wahrscheinlich nur auf Gewalt reagieren werde. Ich erinnerte Cook daran, dass Miloševi ć ein Experte darin sei, ein »Trugbild« der Kooperation zu schaffen, während er in Wirklichkeit brutale Gewalt anwende, solange er damit durchkomme.
    Wie die meisten von uns

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